Rolf Torring 083 - Der rosa Diamant
Ich beschloß, doppelt mißtrauisch zu sein, denn gerade in Getränke läßt sich ein Gift gut hineinmischen.
Zu meinem Erstaunen musterte Rolf zunächst das Essen sehr genau, schüttelte verwundert den Kopf und nahm den mitgegebenen Holzlöffel voll Reis aus dem Napf. Er betrachtete die kleine Menge der Speise, die er darauf hatte, noch immer sehr genau und — verfärbte sich.
„So eine Hinterlist!" rief er.
Im nächsten Augenblick flog der Napf mit dem Essen dem Dorfältesten mitten ins Gesicht. Sanka tanzte vor Schmerz auf einem Bein herum, denn das Essen war kochend heiß gewesen. Die beiden Mädchen flüchteten schreiend.
Pongo und ich warfen die Schüssel auf den Boden. Ich riß die Pistolen heraus. Pongo zückte das Haimesser. Er hielt mit der linken Hand Maha am Halsband fest.
Rolf hatte schon beide Pistolen gezogen und schritt uns voraus, auf die nächsten Dorfbewohner zu. Die Inder wichen erschrocken zur Seite. Der Weg vor uns war frei.
Rolf eilte im Sturmtempo voran, zwischen den Hütten hindurch, in die bei unserem Nahen Frauen und Kinder aufschreiend zurückwichen.
Endlich hatten wir das Dorf hinter uns und gelangten an einen dichten Wald, in den Rolf eindrang. Ich wollte ihm schon Vorwürfe machen, daß er uns in das undurchdringliche Dickicht führte, da blieb er stehen.
„Das wäre geglückt!" meinte er. "Hoffentlich hat sich der hinterlistige Sanka an dem heißen Reis das Gesicht ordentlich verbrannt. Wo mag er den malayischen Trick gelernt haben? Vielleicht kennt er ihn durch die Europäer, mit denen er ja enge Verbindungen zu unterhalten scheint.'
„Was war denn los?" fragte ich, immer noch erstaunt über das Vorgehen meines Freundes.
Noch nie hatte Rolf einen Menschen so hart gezüchtigt, daß er ihm heißen Reis ins Gesicht warf.
Rolf lachte auf :
„Hätten wir den Reis gegessen, wären wir gestorben. Hast du schon einmal von der malayischen Sitte gehört, den halbgekochten Reis auf Pferdehaare zu ziehen und die einzelnen Körner abzuschneiden? In jedem Reiskorn steckt ein winziges Stück Roßhaar. Der Reis wird dann gargekocht und dem Opfer serviert"
Ich schauderte zusammen. Von der Methode hatte ich noch nichts gehört. Die kurzen Stücke der Pferdehaare wirken im Darm des Menschen wie feine Nadeln. Sie durchlöchern die Darmwand. Der Mensch stirbt unter schrecklichen Qualen.
„Sie müssen unbedingt mit einer Verfolgung gerechnet haben, sonst könnte der Dorfälteste ja den mit Pferdehaaren zubereiteten Reis nicht so schnell fertig gehabt haben. Eine mühselige Arbeit, jedes Korn auf ein Pferdehaar zu ziehen! Wie hast du die Hinterlist bemerkt, Rolf?"
„Ich suchte zwischen den Reiskörnern zunächst Giftkristalle. Die sah ich nicht. Sanka hatte jedoch einen Fehler gemacht Er hatte schwarze Schwanzhaare eines Pferdes genommen. Die kleinen dunklen Stellen, die einen Teilmillimeter aus dem weißen Reis herausragten, fielen mir auf. In der ersten Empörung habe ich dem Schurken den Reis ins Gesicht geworfen."
„Eigentlich hätte er ihn essen müssen! Aber was machen wir nun? Jetzt sitzen wir mitten im Wald, und die Nacht wird gleich da sein."
„Ich warte gerade auf die Dunkelheit," sagte Rolf. „Ich will ins Dorf zurück. Wir müssen uns einen Sampan beschaffen. Den Mietpreis werde ich hinterlegen. Besser den Kaufpreis. Sanka hat ihn uns ja genannt."
„Großartig, Rolf!" rief ich. „Da hattest du von Anfang an den Plan, heimlich einen Sampan zu holen?"
„Sofort," bestätigte Rolf, „als der Dorfälteste sagte, daß er uns seinen Sohn als Begleiter mitgeben wolle. Hätten wir das Angebot abgelehnt, würden wir bestimmt einen Sampan bekommen, den wir nicht hätten brauchen können. Die beiden Brahmanen müssen einen großen Eindruck hinterlassen und einen ungeahnten Einfluß auf Sanka haben. Schau mal, persönlich kann er gar kein Interesse an unserem Tode haben. Aus reiner Freude am Töten wird er keinen Europäer umbringen wollen."
„Dann muß der Raub der jungen Deutschen mit einem schwerwiegenden Geheimnis verbunden sein," meinte ich. „Die beiden Brahmanen also haben den Dorfältesten überredet, daß er jeden nach ihnen fragenden Europäer unschädlich machen soll."
„Völlig meine Meinung!" rief Rolf. „Ich bin auch überzeugt, daß die Fahrt auf dem Chambal gefährlich wird. Wir müssen mit Fallen der verschiedensten Art
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