Rolf Torring 084 - Der Geisterzug
Holkar zu betreten."
Bei diesem Ausdruck des Residenten fiel mir ein, daß Indore auch der „Staat des Holkar" genannt wird. Die unter Englands Oberhoheit regierenden Fürsten tragen den Titel Holkar.
„Er ist ein sehr stolzer Herr, der jetzige Holkar Nima," fuhr der Resident fort, „aber Sie werden schon mit ihm fertig werden, meine Herren. Wir laufen gleich in Indore ein. Ich darf Sie wohl bitten, meine Herren, sich als meine Gäste zu betrachten. Pongo, Ihr schwarzer Begleiter, befindet sich wohl auch im Zug?"
„Er hat mit unserem Geparden Maha ein Abteil für sich," erklärte Rolf. „Ihre Einladung nehmen wir gern an, Sir John, dürfen uns aber vorbehalten, unser Quartier eventuell anderswo zu suchen, wenn die Verhältnisse es erfordern sollten."
Rolf lächelte. Er konnte in dem Augenblick noch nicht vermuten, daß wir gegen Mächte kämpfen mußten, die wir nie hier anzutreffen geglaubt hätten, die wir erst erkannten, als es fast schon zu spät war.
Wir verließen schnell den Zug und holten aus einem der Wagen am Schluß Pongo, der Maha bei sich hatte. Unser Riese mit dem Geparden erregte wie immer das größte Aufsehen. Ich war zufrieden, als er neben dem Fahrer im offenen Wagen des Residenten saß, der vor dem Bahnhof wartete. Maha schmiegte sich eng an seine Seite und blickte über den Rand der Karosserie.
Vor langen Jahren war Indore eine der schmutzigsten und häßlichsten Residenzstädte. Jetzt war ich angenehm überrascht, als ich die sauberen, breiten Straßen sah, durch die der Wagen dahinfuhr.
Der Palast des Residenten war in einem großartigen, wenn auch etwas steifen Stil gebaut. Wir erhielten drei nebeneinanderliegende Zimmer im Erdgeschoß, deren Fenster in den weiten, wundervoll angelegten Park führten. Rolf hatte ausdrücklich um Zimmer zu ebener Erde gebeten, um jederzeit der Palast ungehindert und unbemerkt verlassen zu können.
„Wir haben es jetzt kurz vor Mittag," sagte Sir John, als er uns zu unseren Zimmern das Geleit gab, „wollen Sie die heißen Stunden des Tages verschlafen?"
„Nein," erklärte Rolf sofort, „ich möchte mir jetzt die Todesschlucht ansehen. Mittags soll ja der Geisterzug auch erscheinen. Vielleicht haben wir Glück und sehen ihn schon bei unserem ersten Besuch. Wie kommen wir am besten zur Schlucht?"
„Sie können mit dem Wagen zum Südrand der Stadt fahren. Nennen Sie den Vindhya-Park als Ziel! Der Park ist etwa einen Kilometer lang. Wenn Sie ihn durchschritten haben, sehen Sie die weite Ebene, die sich bis zum Vindhya-Gebirge hinzieht. Drei Kilometer vom Rande des Parks entfernt beginnt die Schlucht. Sie erkennen sie ohne weiteres schon von ferne an den großen Felsblöcken, die am Rande verstreut liegen. Wollen Sie allein gehen? Oder soll ich Ihnen polizeilichen Schutz mitgeben?"
„Wir wollen kein Aufsehen erregen und gehen am besten allein," erklärte Rolf. „Mir war es schon unangenehm, daß auf der Fahrt hierher Pongo und Maha solche Beachtung fanden. Hoffentlich unterhält die Bande, die den Geisterzug inszeniert, keine Spione in der Stadt. Sonst kann es ihnen schon bekannt geworden sein, daß wir bei Ihnen Quartier genommen haben. Dann können sie sich auch, leicht denken, daß wir uns mit dem Geisterzug beschäftigen wollen."
„Richtig," gab Sir John zu, „das hätten wir früher bedenken können. Sie hätten ganz unbemerkt in mein Haus kommen können."
„Dazu ist es ja nun zu spät," meinte Rolf. „Wir hätten vorsichtiger sein müssen. Aber wir wollen gehen, damit es nicht zu spät wird."
Wir verließen den Palast ohne Maha. Der Gepard wäre in den Straßen der Stadt zu sehr aufgefallen. Eine Taxe brachte uns zum Südrand der Stadt. Wir schlenderten durch den schön angelegten Vindhya-Park. Ich vergaß fast, daß wir uns mit dem Geisterzug beschäftigen wollten, so schön war alles rings um uns.
Plötzlich sagte Rolf leise:
„Dreh dich nicht um, Hans, wir scheinen schon unter Bewachung zu stehen. Ich glaube, hinter uns geht ein Inder, der vom Palast aus mit dem Wagen gefolgt ist. Dann werden wir ja vielleicht die Leute bald zu Gesicht bekommen, die den rätselhaften Spuk vollführen. Wir wollen unbefangen weitergehen. Sieh einmal dort, ist der große Tamarindenbaum nicht schön?"
Ich hatte gar keine Lust mehr, mir den Baum anzusehen. Mein Gefühl für landschaftliche Schönheiten war im Augenblick durch Rolfs Worte
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