Rolf Torring 089 - Der Todes-Bote
die Komödie sofort durchschaut hatte.
„Aber, Rolf, wenn die Beamten unsere Kiste aufmachen, wird es womöglich ein Unglück geben. Außerdem verrät uns der Inhalt sofort."
„Verlaß dich darauf, Hans, daß die Kiste bestimmt nicht von Unbefugten geöffnet wird. Der Mann, der uns auf so schlaue Art hierhergebracht hat, wird Vorsorge getroffen haben, daß wir durch nichts verraten werden. Er hat den ganzen Plan zu geschickt eingefädelt, als daß ihm eine solche Kleinigkeit alles umstoßen würde."
Draußen auf dem Gang wurden Schritte hörbar. Gleich darauf wurde die Zellentür aufgeschlossen. Ein Gefängniswärter brachte uns Essen. Er nahm uns auch die hinderlichen Handschellen ab. Er sprach kein Wort und verließ uns sofort wieder.
„Da haben wir es, Hans!" rief Rolf und faltete einen Zettel auseinander.
„Woher hast du den Zettel?" fragte ich erstaunt, konnte mir jedoch die Frage gleich selbst beantworten, denn nur der Wärter war bei uns in der Zelle gewesen.
Rolf überhörte meine Frage und las leise vor:
„Heute abend werde ich Sie befreien, Herr Torring und Herr Warren. Ich bitte Sie, mir die Komödie nicht übelzunehmen. Sie sollten ohne Aufsehen hierherkommen. Niemand weiß, daß Sie schon mitten in der Stadt sind. Der Kommissar, der Sie gefangen nahm, bin ich."
Außer mit dem nichtssagenden „Ich" war der Zettel nicht unterzeichnet. Aber er zeigte deutlich, wie recht Rolf mit seiner Kombination gehabt hatte.
Wir machten uns deshalb weiter keine Sorgen, und da wir die Nacht vorher nicht geschlafen hatten, holten wir das Versäumte nach. Hier störte uns keine Seele.
Ich mußte lange geschlafen haben, als ich durch ein Geräusch geweckt wurde. Hastig sprang ich von der Pritsche auf und sah den Gefängniswärter, der uns das Essen gebracht hatte, in der Tür stehen und uns ein Zeichen machen, daß wir ihm leise folgen sollten. Rolf und Pongo waren fast gleichzeitig mit mir aufgesprungen. Wir schlichen hinter unserem Führer her.
Kein Mensch begegnete uns. Wir kamen an eine kleine Seitenpforte des Gefängnisses, die ins Freie führte. Der Wärter schloß die Tür auf und trat mit uns hinaus. Wir befanden uns in einer kleinen, dunklen Nebenstraße. Erst als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte ich einen geschlossenen Wagen, der dicht vor uns hielt.
Sorgfältig schloß der Wärter die Pforte. Dann stiegen wir in das Auto, dessen Fenster verhängt waren.
Rolf stellte keine Frage. Er saß mit ruhigem Gesicht da. Ich konnte meine Bedenken nicht loswerden, ob wir nicht doch in eine Falle geraten waren. Schon wollte ich Rolf ein Zeichen geben, als die Bremsen quietschten, der Wagen hielt und der Wärter eilfertig heraussprang, um uns den Schlag offen zu halten.
Wir waren in einem großen Garten, der von einigen Lampen beleuchtet wurde. Links lag ein zierlicher Bungalow. Aus den Fenstern fiel Lichtschein auf den Rasen und zeigte uns den schmalen Weg zur Tür. Auf einen einladenden Wink unseres Wärters traten wir ein und wurden in ein elegantes Herrenzimmer geführt, das ganz im europäischen Stil eingerichtet war.
„Ich bitte die Herren ein paar Augenblicke zu warten." Das waren die ersten Worte, die unser Führer über die Lippen brachte. Dazu deutete er auf die Sessel. Wir machten es uns bequem. Lange brauchten wir nicht zu warten. Eine Seitentür öffnete sich. Ein Herr in Uniform trat herein. Herzlich begrüßte er Rolf und mich wie alte Freunde, dann gab er Pongo die Hand.
„Meine Herren, ich danke Ihnen, daß Sie auf meinen Brief hin die Komödie so glänzend mitgespielt haben. Ich wußte mir keinen anderen Rat. Sie sollten hierherkommen, ohne daß jemand etwas merkte. Ich glaube, das ist mir gelungen. Aber darf ich mich zunächst vorstellen: ich bin Oberst Longfield, der Polizeipräsident von Surat.
Bevor ich Ihnen mein Anliegen erzähle, will ich schnell für einen Imbiß sorgen. Sie haben seit Mittag nichts gegessen. Ich mußte Sie wie richtige Gefangene behandeln, da selbst meine Leute nicht ahnen sollten, wen sie da hinter Schloß und Riegel gebracht haben. Die Kiste habe ich hierherkommen lassen. Ich hoffe, daß ich Sie als meine Gäste betrachten darf. Zwei Räume stehen Ihnen zur Verfügung."
Inzwischen hatte der Wärter, der sich als Diener Oberst Longfields entpuppte und das volle Vertrauen seines Herrn besaß, im Nebenraum das Essen
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