Rolf Torring 103 - Der Piraten-Schatz
noch einen Augenblick liegen, um das Blut wieder normal zirkulieren zu lassen, dann sprangen wir vom Diwan auf und holten die Luftpistolen aus den inneren Hosentaschen.
„Wir gehen zuerst nach der Halle, um zu sehen, ob die Tiger noch betäubt sind," entschied Rolf. „Vielleicht müssen wir sie ein zweites Mal betäuben."
„Vielleicht liegt Pongo noch auf der Galerie und kann der Tiger wegen nicht hinunter," antwortete ich.
„Pongo würde Mittel und Wege gefunden haben, die Katzen fortzulocken. Laß uns gehen! Ich nehme an, daß der große Chinese und Fu Kang nicht die einzigen Menschen sind, die sich im Kloster aufhalten. Der Kerl sprach von einer 'Organisation'."
Wir verließen den Raum und schlichen durch das angrenzende Gemach. Als Rolf den Teppich, der den Ausgang abschloß, zurückschlug, standen wir vor einer fest verschlossenen bronzenen Tür.
Kein Schloß war zu entdecken. Wertvolle Minuten verstrichen, ehe wir den Mechanismus gefunden hatten, der die Tür zum Aufspringen brachte. Die Halle lag vor uns, in die wir zuerst eingedrungen waren. Unsere Blicke wanderten sofort zur Galerie: Pongo war nicht mehr dort. Im Hintergrund sahen wir Maha, der sich wohl auf Pongos Anweisung dorthin begeben hatte. Der Gepard bemerkte uns sofort, erhob sich aber nicht.
„Ich möchte hier die Rückkehr des großen Chinesen abwarten," flüsterte Rolf mir zu. „Die Luftpistolen genügen zu jeder Verteidigung. Wo müssen die Tiger sein? Ich möchte nicht vom Rücken her angefallen werden."
„Vielleicht im Vorhof, Rolf."
Oberhalb des Daches fiel schwaches Tageslicht in die Halle. Rolf war meinem Blick gefolgt und sagte erstaunt:
„Draußen ist es schon hell. Das kann uns nur nützlich sein. Wir verstecken uns hinter der dicken Säule dort. Wenn Chinesen kommen, betäuben wir sie mit den Glaskugeln."
Aber die Chinesen kamen nicht. Wir warteten und wurden langsam ungeduldig. Endlich, nach einer Stunde, öffnete sich die Bronzetür geräuschlos, die in den Vorhof führte.
Fu Kang betrat hastig die Halle. Er war sehr erregt und wollte schnell an uns vorüber.
Da zischte es fast lautlos. Ohne einen Laut auszustoßen, sank der Chinese zu Boden. Die Luftpistole Rolfs hatte ihre Schuldigkeit getan.
Wir schlichen zu ihm hin und zogen ihn hinter eine Säule. Rolf untersuchte ihn und sagte darauf zu mir:
„Sieh dir das an, Hans! Fu Kang ist ganz mit Blut besudelt. Entweder hat er jemand umgebracht, oder er hat einem anderen beigestanden, der umgebracht werden sollte. Draußen muß es eine Auseinandersetzung gegeben haben."
Ich beugte mich über Fu Kang und fand in seinem Gürtel ein blutiges Messer. Es schien zu stimmen, daß er einen Kampf ausgefochten hatte. Das hatte Rolf mit der Verdächtigung seines Komplicen nicht beabsichtigt. Daß er zurückkam, konnte nur den Grund haben, weil er von uns erfahren wollte, wo Rolf das Notizbuch versteckt hatte.
Rolf wandte sich von Fu Kang ab.
„Komm mit auf den Vorhof, Hans! Wir müssen wissen, wo die Tiger sind."
Wir gingen vorsichtig zu dem noch immer offenstehenden Tor. Ein Blick in den Vorhof genügte: in einer Ecke lagen beide Tiger und sonnten sich. Würden unsere Glaskugeln auch auf die größere Entfernung wirken?
Rolf hatte die Hand mit der Luftpistole bereits erhoben und zielte auf die eine Raubkatze. Zischend nahm die Kugel ihren Weg, und lautlos legte sich der Tiger um, ein zweites Mal betäubt. Der andere Tiger sah erstaunt auf. Er mußte das leise Zischen vernommen haben, aber ehe er sich darauf einstellen konnte, erreichte ihn die von mir abgeschossene Glaskugel. Friedlich legte er sich neben seinen Artgenossen.
„Erledigt, Hans," flüsterte Rolf mir zu. „Jetzt müssen wir Pongo suchen. Hoffentlich stoßen wir nicht auf eine Übermacht, wenn wir in die Keller eindringen."
„Willst du den 'Fahrstuhl' benutzen, Rolf? Es muß doch auch einen anderen Eingang in die unterirdischen Räume geben."
„Das Suchen nach einem anderen Eingang würde uns zu lange aufhalten. Wir wollen unsere Zeit nicht unnütz vertrödeln. Pongo wird uns viel helfen können, wenn wir die Rätsel des Klosters zu lösen versuchen. Deshalb müssen wir ihn möglichst rasch finden."
Ich eilte schon mit schnellen Schritten dem Sockel zu, um in die Nähe des „Fahrstuhls" zu kommen. Rolf rief „Vorsicht!", aber ich ließ mich nicht aufhalten. Ich
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