Rolf Torring 103 - Der Piraten-Schatz
Wir stiegen von dem Quaderstein, der uns wie ein Fahrstuhl in die Tiefe befördert hatte, hinunter und leuchteten in den Gang hinein. Feuchte, kühle Luft umgab uns. Ich glaubte sogar einen Luftzug zu spüren. War hier eine richtige Lüftungsanlage eingebaut?
Schrittweise drangen wir vor. Plötzlich hörten wir hinter uns ein leises Knacken und stellten fest, daß unser „Fahrstuhl" wieder in die Höhe gefahren war.
Unsere Gewehre hatten wir bei Pongo gelassen, da sie uns bei der Untersuchung der Halle nur behindert hätten. Zuerst untersuchten wir die Wände des Ganges genau. Eine Tür fanden wir nicht, aber als wir das Ende des Ganges fast erreicht hatten, zuckte plötzlich ein Arm aus der Wand, der uns etwas Weißes zuwarf.
Ehe wir etwas unternehmen konnten, war der Arm wieder verschwunden. Mit ein paar schnellen Sprüngen waren wir an der Stelle, wo der Arm aus der Wand hervorgeschossen war, konnten aber weder eine Geheimtür noch eine Klappe entdecken, obwohl irgendwo eine verborgene Öffnung vorhanden sein mußte.
Ich hatte das weiße Etwas aufgehoben: es war ein Stück Papier, auf dem ein paar Worte geschrieben standen:
„....Gehen Sie geradeaus und bleiben Sie an
der Wand stehen, dann wird Ihnen nichts geschehen. Wir möchten nur das Notizbuch von Ihnen haben! Wenn Sie unseren Anweisungen nicht folgen, übernehmen wir für Ihr Leben keine Garantie!"
Ich zeigte Rolf das Schreiben, das er sofort las, gleich darauf betrachtete er noch einmal die Wandstelle, aus der der Arm gekommen war.
„Ich kann nichts finden, Hans. Folgen wir den Worten des Zettels! Wir werden ja sehen, was weiter geschieht"
Mit wenigen Schritten waren wir am Ende des Ganges, drehten uns um und leuchteten in den Gang zurück. Wir lehnten uns an die Wand. Mit einem Male drehte sich die Wand mit dem Fußstück, auf dem wir standen, wir wurden in einen anderen Raum geschleudert. Das Wandstück schnappte hörbar ein.
Verblüfft schauten wir uns an. Wir befanden uns hier wohl in einer Art Gefängniszelle, deren Wände aus massiven Quadern gebaut waren. Der drei Meter lange, höchstens zwei Meter breite Raum war völlig leer. Keine Bank lud zum Sitzen ein. Um nicht unnötig zu ermüden, setzten wir uns, als wir eine Stunde gestanden hatten, auf den Boden.
Wir warteten und warteten, ob sich einer unserer Gegner zeigen würde.
Zwei Stunden waren wir schon hier unten. Pongo suchte uns also bereits. Er mußte außerdem beobachtet haben, wie wir neben dem Podest in die Tiefe fuhren. Vielleicht wählte er den gleichen Weg. Aber wie sollte er uns in der Zelle finden?
3. Kapitel In gefährlicher Lage
Wir hatten die Lampen ausgeschaltet, um die Batterien zu schonen, und saßen lauschend an der drehbaren Wand. So sehr wir uns anstrengten, ein Geräusch aufzuschnappen — auf dem Gang blieb alles still. Oder waren die Wände so dick, daß man nichts hören konnte?
Unendlich langsam kroch die Zeit weiter.
Plötzlich flüsterte Rolf mir zu:
„Stecke die Luftpistole innen in die Hose, damit sie nicht gefunden wird. Ich glaube, wir kriegen bald Besuch."
„Hörst du das leise Zischen, Rolf? Riechst du nichts? Ich glaube, man läßt ein Gas in unsere Zelle, das uns betäuben soll."
Ich wollte noch weiter reden, aber ich wurde plötzlich so müde, daß ich kein Wort mehr sagen konnte. Wie ich eingeschlafen war, wußte ich nicht, als ich unvermittelt erwachte. Ich glaubte, höchstens eine Minute geschlafen zu haben. Mein Kopf war klar. Ich konnte mich sofort an alles erinnern, was sich bisher im alten Kloster abgespielt hatte.
Der Raum, in dem ich mich befand, war gut eingerichtet. Ich lag auf einem Diwan, der so breit war, daß Rolf bequem neben mir liegen konnte. Er war — wie ich — gefesselt. Mein Freund war schon wach und lächelte mir zu. Unsere Hände waren auf dem Rücken gebunden. Das war recht unangenehm, weil wir dadurch gezwungen wurden, eine seitliche Lage beizubehalten.
Das Gemach wurde durch eine Petroleumlampe gut erhellt.
Rolfs siegessicheres Lächeln verstand ich nicht.
„Freust du dich über unsere Lage noch?" fragte ich.
„Hm!" sagte Rolf ganz leise. „Erstens ist Pongo nicht hier, was zu der Hoffnung berechtigt, daß er nicht gefangen ist, zweitens dachte ich an die Luftpistole. Hast du noch soviel Zeit gehabt, meinen Rat zu befolgen?"
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