Rolf Torring 108 - John Millners Geheimnis
viel leicht brennbares Holzwerk. An eine Rettung des Tempels schien deshalb im Augenblick nicht zu denken zu sein.
Ein zweiter ohrenbetäubender Krach! Ich fuhr zusammen. Lärmende Rufe setzten ein. Dazwischen eine gellende Stimme; sie gehörte dem hohen Priester, der auf dem Platz vor dem brennenden Tempel seine Leute zurechtwies.
Jetzt hielt uns nichts mehr im Hause. Als wir auf dem Platz standen, sahen wir, daß auch das Haus der Priester brannte; dort hatte der zweite Einschlag die Holzkonstruktion und das Holzdach in Brand gesetzt. Die hellen Flammen hatten bereits auf die Nebengebäude übergegriffen.
Die ganze Stadt war schwer gefährdet. Bei dem herrschenden Wind konnten noch viele der kleinen Holzhäuser in Flammen aufgehen.
„Wir müssen nochmals über den See!" rief Rolf mir zu. „Wir müssen unsere Waffen haben! Von der heiligen Stadt wird nicht viel übrigbleiben. Wenn wir uns beeilen, treffen wir vor den Priestern dort ein, die sicher das geopferte Gut in Sicherheit bringen werden."
Ich war einverstanden. Die Straßen waren durch die Brände hell erleuchtet, in der Aufregung aber achtete niemand auf uns. Wir überkletterten die Umzäunung und waren in einer halben Stunde am See, den wir vorsichtig überquerten, da er durch das neue Gewitter wieder frisch geladen war.
Ohne Zwischenfall erreichten wir den Tempel und nahmen sofort unsere Waffen und unser sonstiges Eigentum an uns.
Schnell fanden wir einen kleinen Bergpfad, der zur Höhe führte. Die Priester hatten ihn wohl für ihre heimlichen Fahrten oft benutzt. Vom Gebirgskamm aus sahen wir tief unter uns die brennende Stadt, von der nichts mehr zu retten war. Viele Menschen strebten den Bergen zu und verschwanden in der Dunkelheit.
Wir marschierten die ganze Nacht durch, rasteten am Morgen nur kurz, um zu frühstücken, und bezogen erst mittags ein sicheres Lager, wo wir unbehelligt schlafen konnten. Nach Mitternacht brachen wir auf; wir kannten ja den Weg.
Nach drei Tagen erreichten wir die kleine Lichtung. Unser Kanu lag an einer anderen Stelle als an der, wo wir es versteckt hatten. Sollte es in der Zwischenzeit benutzt worden sein? Vielleicht von Pongo? Wo mochte er nur sein?
„Ich schlage vor, hier ein paar Tage zu bleiben," schlug Rolf vor. "Vielleicht findet sich Pongo von selbst wieder ein."
„Wollen wir ihn nicht suchen, Rolf? Ich habe das Gefühl, daß ihm etwas passiert ist."
„Wo sollen wir suchen, Hans? Mir will es nicht gefallen, daß das Kanu an einer anderen Stelle lag. Ob Pongo hier gewesen ist?"
„Das glaube ich nicht, Rolf, dann hätte er uns wohl ein Zeichen zurückgelassen."
„Was tun wir, wenn die Priester hier vorbeikommen sollten? Gefangennehmen können wir sie nicht, um sie den Behörden zu übergeben, Hans."
„Wir können sie aber nach Pongo fragen!"
Wir richteten uns die kleine Höhle für einen Aufenthalt von mehreren Tagen ein, gingen auch zur größeren Höhle und hinunter zur Bucht. Alles war unverändert. Nichts ließ außer der Veränderung des Standorts unseres Kanus darauf schließen, daß in der Zwischenzeit Menschen hier gewesen waren.
Die Nacht verlief ungestört. Am nächsten Morgen, als wir uns im Fluß waschen wollten, hörten wir leise Ruderschläge, die sich näherten. Im Buschwerk versteckt warteten wir auf das Eintreffen des Bootes. Da bog es um die Flusskrümmung. Ich stieß einen Jubelschrei aus: im Kanu saßen unser Steuermann John mit Maha und Herr Millner. Sie kamen sofort ans Ufer, als sie uns erkannten. John erzählte, daß er sich um uns gesorgt hätte, da die Zeit längst, überschritten sei, die wir für unsere Rückkehr angegeben hatten. Auf Millners Niederlassung habe er Näheres erfahren; Millner habe ihn dann überredet, ihn mitzunehmen.
Henriksen sei zwei Tage vor Johns Eintreffen wieder fortgefahren. So hatte Millner die Niederlassung seinem Lagermeister übergeben und war mit John aufgebrochen.
Unser Steuermann erschrak heftig, als wir ihm erzählten, daß Pongo verschwunden sei. Aber jetzt hatten wir ja Maha, den John mitgebracht hatte; dem Geparden würde es hoffentlich gelingen, Pongos Spur zu finden.
Wir trugen das leichte Kanu in unsere Höhle und beratschlagten, was nun zu tun sei. Am nächsten Tage — das hielten wir für das beste — wollten wir noch einmal in die Berge, um Maha nach Pongo suchen zu lassen.
Für die Nacht
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