Rolf Torring 124 - Die Ratten von Peking
ich ans Fenster und öffnete es. Meine Annahme erwies sich als unrichtig. Obwohl der Zug eine erhebliche Geschwindigkeit hatte, ließ sich der Chinese auf die Bahnböschung hinab fallen und kullerte, igelig zusammen gekrümmt, den Hang hinab.
Ich meinte, er müsse beide Beine gebrochen oder sich an anderen Körperstellen schwere Verletzungen zugezogen haben. Das schien nicht der Fall zu sein. Als wäre der Chinese in einer Turnhalle auf der Matte ein Stück entlang gekugelt, erhob er sich am Ende der Böschung und eilte dem nahen Buschwerk zu, in dem er verschwand.
Bald hielt der Zug. Ich beeilte mich, ihn möglichst unauffällig zu verlassen. Und zwar stieg ich nach der Seite aus, auf der der Chinese abgesprungen war.
Auch mich deckte wenige Minuten später das Unterholz des nahen Waldes. Hier wartete ich, bis der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und meinen Blicken entschwunden war.
Als ich mich aufrichtete, hörte ich hinter mir eine wohlbekannte Stimme:
„Pongo sich freuen, mit Masser Warren zusammenbleiben zu können. Pongo etwas beobachtet, aber nicht wissen, was damit gemeint."
Daraufhin erzählte er mir, daß in dem Abteil, in dem wir zuerst gesessen hatten und in dem Pongo mit Maha sitzengeblieben war, plötzlich ein vermummter Chinese erschienen sei. Er habe kein Wort gesagt und sei, sobald er unsern Geparden gesehen habe, eilig wieder verschwunden.
Ich vermutete, daß es sich bei der vermummten Gestalt um den gleichen Chinesen gehandelt hatte, der in meinem Abteil erschienen war und mich ausgefragt hatte.
Zusammen mit Pongo und Maha marschierte ich los, der nach Peking zu führenden Straße entgegen, auf der ich Rolf und Professor Kennt treffen wollte.
Bei einem jungen Chinesen, der mir in den Weg lief, erkundigte ich mich, wo die Straße nach Peking liege. Er berichtete, daß es nur eine Straße hier gäbe, die mitten durch den Wald führe. In zwei Stunden etwa würde ich die Stadt erreicht haben. Wir schritten schnell aus, um mit den Gefährten möglichst bald zusammenzutreffen.
2. Kapitel Die Macht der „Ratten von Peking"
Schon nach einer halben Stunde hörten wir aus dem Dickicht, an dem wir entlang schritten, Rolfs bekanntes Pfeifsignal und standen gleich darauf ihm und dem Professor gegenüber.
Da mein Freund und Kennt eine Rastpause eingeschoben hatten, setzte ich mich einen Augenblick zu ihnen und erzählte das kleine Erlebnis, das ich im Zuge noch mit dem maskierten Chinesen gehabt hatte. Rolf vertrat die Ansicht, daß es sich nur um einen Gegner Margolos handeln könne. Der junge „Fürst der Berge" werde wahrscheinlich auf seiner Fahrt nach Peking schon seit Stunden überwacht.
„Wollen wir uns wirklich hier in Streitigkeiten hineinziehen lassen, die offenbar zwei räuberische Gesellschaften des Landes miteinander auszutragen haben?" fragte der Professor, der ein sachlich denkender Mann war und den romantischen Abenteurergeist, der uns beseelte, nicht kannte.
Rolf sagte:
„Ich werde Margolo im Astor-Hotel aufsuchen und offen mit ihm sprechen. Auch ich denke nicht daran, mich in eine uns nichts angehende Sache verwickeln zu lassen. Am allerwenigsten will ich für Margolo die Kastanien aus dem Feuer holen. Wenn wir ihm aber aus einer echten Bedrängnis helfen können, werde ich für meine Person immer dazu bereit sein."
„Achtung, Massers! Jemand kommen!" flüsterte Pongo, der beobachtet hatte, wie Maha den Kopf hob, lauschte und aufstand.
Pongo schlich sich allein vor, um Ausschau zu halten. Als er bald darauf zurückkam, erklärte er:
„Auf Straße sein Fürst Margolo, der allein in Richtung Stadt gehen. Pongo ihn jetzt gleich holen sollen?"
Rolf überlegte und nickte nach Sekunden unserm schwarzen Freunde lächelnd zu, der sich gleich wieder entfernte. Wenig später hörten wir einen unterdrückten Schrei. Dann tauchte Pongo auf, der auf den Schultern den zappelnden Margolo trug. Er legte ihn vor uns nieder. Rolf nahm ihm, obwohl er sich ein wenig sträubte, die Pistolen aus dem Gurt. Sobald er sah, daß wir nicht die Absicht hatten, ihn zu fesseln, lächelte er. Rolf sprach ihn an:
„Guten Tag, Margolo. Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen für einige Minuten die Waffen abnehmen mußte. Es geschah nur zu unserer Sicherheit, bis wir einig geworden sind. Ich hätte Sie heute noch im Hotel besucht, als sich aber hier so
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