Rolf Torring 124 - Die Ratten von Peking
Annehmlichkeiten sein eigen, die man sich auch als Europäer wünschen konnte.
Auch Margolo nahm Wohnung im Astor-Hotel; er mietete zwei Zimmer in dem über uns gelegenen Stockwerk.
Später bummelten wir durch die Stadt, Professor Kennt führte uns zu einigen Sehenswürdigkeiten. Mich interessierte besonders der in Terrassenform angelegte „Altar des Himmels".
Bei unserem Gang durch die Stadt hatte ich mehrmals das Gefühl, daß uns in sicherer Entfernung ein Chinese folge. Im Sonnentempel, den wir vorher besucht hatten, glaubte ich ihn schon gesehen zu haben, hatte ihn aber nicht weiter beachtet, da mir sein Gesicht dort noch neu war. Ich machte Rolf auf meine Beobachtung aufmerksam, der sie mir bestätigte. Auch Kennt war des Mannes längst gewahr geworden und fand es — gelinde gesagt — „unverschämt", uns zwei Stunden von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu folgen.
Wir hätten uns gern weiter über die 'Ratten von Peking' unterhalten, blieben aber lieber bei harmlosen, unverfänglichen Themen, da wir nicht wußten, ob wir nicht belauscht würden. Und uns vorzeitig zu verraten, hatten wir wenig Lust.
„Es wird bald dunkel werden," stellte ich fest. „Wollen wir langsam nach dem Hotel zurückgehen, Rolf?"
Rolf war einverstanden und bat uns, uns nicht auffällig nach dem uns verfolgenden Chinesen umzuschauen.
Gerade als wir das Hotel erreichten, brach die kurze Abenddämmerung herein. Im Speisesaal hatte Rolf für uns einen Tisch reservieren lassen, der etwas abseits in einer Nische stand. Von hier aus wollte mein Freund die Gäste beobachten, da er mit Bestimmtheit annahm, daß uns unsere neuen Gegner bis in das Hotel folgen würden.
Auf unseren Zimmern kleideten wir uns um und betraten gegen 19.30 Uhr den Speisesaal, der schon gut besetzt war. Margolo saß an einem Tisch in unserer Nähe; auch er hatte sich einen Platz ausgesucht, von dem aus er einen guten Überblick über den ganzen Raum hatte. Er beachtete uns nicht, als wir erschienen, was Rolf als Unvorsichtigkeit bezeichnete. Er hätte uns ruhig einen hasserfüllten Blick zuwerfen können, meinte mein Freund.
Das Essen, europäisch zubereitet, war ausgezeichnet. Die Chinesen sind schon immer als Meister der Küche bekannt.
Wir waren beim Dessert, als Rolf plötzlich auf einen Chinesen in sehr vornehmer Kleidung aufmerksam wurde, der sich in einiger Entfernung von Margolos Tisch niedergelassen hatte. Der Mann mußte hier großes Ansehen genießen und gut bekannt sein, denn die Kellner verbeugten sich tief vor ihm. Schnell und respektvoll wurde ihm das Essen serviert.
„Was fällt dir an dem Mann so auf?" fragte ich Rolf, der ihn mir bezeichnet hatte.
„Als er den Speisesaal betrat, zog er einen Ring, den ich in seiner Form natürlich nicht erkennen konnte, vom Finger und steckte ihn ein. Tut man das, wenn man zum Essen geht?"
„Du meinst also, daß der Mann der gleiche sein könnte, der mich im Abteil besuchte?" fragte ich.
„Ich glaube es fast," gab Rolf zur Antwort. „Benimm dich aber nicht auffällig, Hans, sonst merkt er vielleicht, daß wir ihn beobachten."
„Wenn Ihre Beobachtung stimmt," sagte Kennt, „könnten wir uns ja Glück wünschen, den Führer der Ratten schon am ersten Abend unseres Hierseins erkannt zu haben."
„Ich rechnete stark mit seinem Kommen," erwiderte Rolf zu unserer Überraschung. „Hoffentlich hat Margolo ihn auch bemerkt"
„Wenn wir genau wüssten, daß der Mann wirklich der Führer der ,Ratten' ist, müßten wir Margolo davon in Kenntnis setzen."
„Wir werden uns beim Kellner nach dem Manne erkundigen."
In dem Augenblick betrat ein anderer Chinese, auch auffallend reich gekleidet, den Speisesaal, blickte umher, sah den von uns beobachteten Mann sitzen, ging schnurstracks auf den Tisch des Landsmannes zu und begrüßte ihn nach chinesischer Sitte mit allen Zeichen größter Ehrerbietung. Dann nahm er mit an dem Tische Platz. Er setzte sich so, daß er uns den Rücken zukehrte. Bald waren beide Chinesen in ein lebhaftes, aber sehr leise geführtes Gespräch vertieft.
Rolf bestellte noch eine Flasche Wein. Als der Kellner sie brachte, fragte mein Freund ihn harmlos, ob der Herr, zu dem sich eben der zweite reich gekleidete Chinese gesetzt hatte, der bekannte Arzt Ho Tschang sei.
„Nein, mein Herr," antwortete der Kellner, „einen Arzt dieses Namens kenne ich
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