Rollende Steine
beschlossen, für eine Stunde zu schließen. Die Sache war ganz einfach. Zuerst sammelten er und seine Helfer alle nicht zerbrochenen Krüge und Gläser ein, was nur wenig Zeit in Anspruch nahm. Anschließend machten sie sich auf die Suche, die nicht nur einigermaßen wertvollen Waffen galt, sondern auch dem Inhalt von Taschen, deren Eigentümer nicht protestieren konnten, weil sie entweder betrunken oder tot (oder beides) waren. Dann wurden die Einrichtungsgegenstände beiseite gerückt und alles andere durch die Hintertür in den breiten braunen Ankh gefegt, wo sich das Zeug stapelte und langsam sank.
Den Abschuß der Zeremonie bildete die Verriegelung des Vordereingangs.
Dabei gab es diesmal Probleme. Die Tür ließ sich nicht schließen. Ein Fuß stand auf der Schwelle.
»Wir haben geschlossen«, sagte Dunelm.
»Nein, habt ihr nicht.«
Die Tür schwang auf, und Albert trat ein.
»Hast du diese Person gesehen?« fragte er und zeigte dem Wirt ein Rechteck aus Pappe.
Das verstieß gegen die guten Sitten. In Dunelms Job hatte man nur geringe Überlebenschancen, wenn man Leuten sagte, daß man andere Leute gesehen hatte. Der Wirt konnte die ganze Nacht Bier ausschenken, ohne jemanden zu bemerken.
»Den Burschen hab ich nie nich’ gesehen«, brummte er, ohne einen Blick auf die Karte zu werfen.
»Du mußt mir helfen«, beharrte Albert. »Andernfalls passiert was Schreckliches.«
»Verzieh dich!«
Albert trat die Tür hinter sich zu.
»Behaupte später bloß nicht, niemand hätte dich gewarnt«, meinte er. Der Rattentod hockte auf seiner Schulter und schnupperte mißtrauisch.
Zwei Sekunden später war Dunelms Kinn ziemlich fest auf einen Tisch gepreßt.
»Ich weiß, daß er hierhergekommen ist.« Albert atmete nicht einmal schwer. »Ganz einfach deshalb, weil jeder hierherkommt, früher oder später. Sieh dir das Bild noch einmal an.«
»Es ist eine Karok-Karte«, erwiderte Hibiskus undeutlich. »Und sie zeigt den Tod!«
»Genau. Sitzt auf einem weißen Pferd. Man kann ihn nicht übersehen. Doch vermutlich sah er anders aus, als er deine Taverne besuchte.«
»Ich möchte ganz sicher sein, alles richtig zu verstehen.« Der Wirt versuchte vergeblich, sich aus dem eisernen Griff zu befreien. »Du willst von mir wissen, ob ich jemanden bemerkt habe, der nicht so aussieht?«
»Bestimmt ist er seltsam gewesen. Seltsamer als viele andere.« Albert dachte kurz nach. »Und sicher hat er viel getrunken. Das macht er immer bei solchen Gelegenheiten.«
»Äh, wir sind hier in Ankh-Morpork, weißt du.«
»Komm mir nicht auf die freche Tour. Sonst werd ich sauer.«
»Soll das heißen, daß du jetzt nicht sauer bist?«
»Derzeit bin ich nur ein wenig ungeduldig. Möchtest du mich verärgert erleben?«
»Vor einigen Tagen… kam jemand. Weiß nicht mehr genau, wie er aussah…«
»Ah. Klingt nach ihm.«
»Trank fast den Laden leer. Beklagte sich über das Spiel ›Barbarische Angreifer‹. Fiel schließlich um. Und dann…«
»Ja?«
»An den Rest erinnere ich mich nicht mehr. Wir warfen ihn raus, glaube ich.«
»Durch die Hintertür?«
»Ja.«
»Aber dort draußen fließt der Ankh.«
»Die meisten Leute kommen zu sich, bevor sie in den Fluß sinken.«
QUIEK, ertönte es.
»Hat er etwas gesagt?« fragte Albert. Er war viel zu sehr auf den Wirt fixiert, um dem Rattentod Beachtung zu schenken.
»Ich glaube, er sprach von Erinnerungen und so. Er meinte… er meinte, der Alkohol könnte ihn nicht daran hindern, sich an alles zu erinnern. Erwähnte Türknäufe und… und haarigen Sonnenschein.«
»Haarigen Sonnenschein?«
»Etwas in der Art.«
Der Druck auf Dunelms Arm verschwand plötzlich. Er wartete ein oder zwei Sekunden lang und drehte dann vorsichtig den Kopf.
Niemand stand hinter ihm.
Ganz langsam bückte er sich und sah unter den Tischen nach.
Albert trat in die Morgendämmerung, holte die Schachtel hervor und öffnete sie. Er warf einen kurzen Blick auf die Lebensuhr und ließ sie wieder in der Manteltasche verschwinden.
»Na schön«, sagte er. »Was nun?«
QUIEK!
»Was?«
Jemand schlug ihn auf den Kopf.
Es war kein tödlicher Schlag. Timo Faul von der Diebesgilde wußte, was mit Dieben geschah, die Leute umbrachten. Jemand von der Assassinengilde kam, um mit den Betreffenden zu reden. Solche Gespräche dauerten nie sehr lange. In den meisten Fällen beschränkten sie sich auf ein kurzes »Leb wohl«.
Timo wollte nur einen Alten niederschlagen, um ihm die Taschen zu leeren.
Als
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