Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
der Privilegien des Erzkanzlers, darüber zu entscheiden, welche Speisen auf den Tisch kamen. Deshalb verzichteten die empfindlicheren Zauberer ganz aufs Frühstück. Sie brachten den Tag mit Mittagessen, Kaffee und Kuchen, einem doppelten Abendessen sowie dem einen oder anderen Imbiß hinter sich.
    An diesem Morgen hielten sich nicht viele Zauberer im Großen Saal auf. Es war nicht nur früh, sondern auch zugig: Handwerker reparierten das Dach.
    Ridcully ließ die Gabel sinken.
    »Na schön«, brummte er. »Wer ist es? Der Betreffende soll es zugeben, sofort.«
    »Wer soll was zugeben, Erzkanzler?« fragte der Oberste Hirte.
    »Jemand klopft mit dem Fuß.«
    Die Zauberer sahen über den Tisch. Der Dekan starrte glücklich ins Leere.
    »Dekan?« fragte der Oberste Hirte.
    Der Dekan hielt sich die linke Hand dicht vor den Mund. Die rechte vollführte kratzende Bewegungen im Bereich der Nieren.
    »Ich weiß nicht, was er da anstellt«, knurrte Ridcully. »Aber es sieht unhygienisch aus.«
    »Ich glaube, er spielt ein unsichtbares Banjo, Erzkanzler«, erklärte der Dozent für neue Runen.
    »Wenigstens macht er dabei keine Geräusche«, kommentierte Ridcully. Er sah zum Dach hoch, durch das ungewohntes Tageslicht in den Großen Saal fiel. »Hat jemand den Bibliothekar gesehen?«
     
    Der Orang-Utan war beschäftigt.
    Er hatte sich in den Keller der Bibliothek zurückgezogen, in einen Raum, den er als Werkstatt und Bücherlazarett benutzte. Mehrere Pressen und Papierschneidemaschinen standen dort. Hinzu kamen Dutzende von Büchsen mit exotischen Substanzen. Er benutzte sie, um Klebstoff und andere kosmetische Dinge für die Muse der Literatur herzustellen.
    Ein bestimmtes Buch leistete ihm Gesellschaft. Selbst er hatte mehrere Stunden gebraucht, um es zu finden.
    Die Bibliothek enthielt nicht nur magische Bücher, die eine große Gefahr darstellten und deshalb an den Regalen festgekettet werden mußten. Dort standen auch ganz gewöhnliche Bücher, aus gewöhnlichem Papier und mit gewöhnlicher Tinte geschrieben. Es wäre ein Fehler, zu glauben, daß sie nicht gefährlich waren, nur weil bei ihrer Lektüre keine Feuerwerkskörper am Himmel explodierten. Sie brannten das Feuerwerk im Bewußtsein des Lesers ab…
    Vor dem Bibliothekar lag nun ein großer Band mit Zeichnungen von Leonard von Quirm, der als geschickter Künstler und großes Genie galt – häufig wanderten seine Gedanken so weit umher, daß sie mit Souvenirs zurückkehrten.
    Leonards Bücher waren voller Skizzen. Sie zeigten kleine Katzen, fließendes Wasser oder die Frauen einflußreicher Kaufleute von Ankh-Morpork, deren Porträts einen erheblichen Beitrag zu seinem Lebensunterhalt geleistet hatten. Doch das Genie in Leonard kam nie zur Ruhe, deshalb war der Seitenrand häufig mit vielen Details vollgekritzelt, die verrieten, mit welchen Dingen das geniale Unterbewußtsein zum betreffenden Zeitpunkt beschäftigt gewesen war. Die Zeichnungen skizzierten zum Beispiel: von Wasserkraft angetriebene Apparate, um Wehrwälle auf Feinde herabstürzen zu lassen; neue Belagerungsmaschinen, mit denen sich siedendes Öl auf Angreifer herabschütten ließ; Schießpulverraketen, die brennendes Phosphor über den Feind gossen – und weitere interessante Produkte aus dem Zeitalter der Vernunft.
    Und noch etwas anderes. Der Bibliothekar hatte es schon einmal bemerkt und sich darüber gewundert, weil es fehl am Platz wirkte. 13 Eine haarige Hand blätterte und fand schließlich die richtige Seite…
    Ja. Oh, JA.
    Es flüsterte zu ihm in der Sprache der Melodie…
     
    Der Erzkanzler machte es sich am Billardtisch bequem.
    Den offiziellen Schreibtisch hatte er schon vor einer ganzen Weile fortschaffen lassen. Ein Billardtisch hatte unübersehbare Vorteile: Es gab mehrere Taschen, in denen man nützliche Dinge verstauen konnte, zum Beispiel Süßigkeiten; wenn er sich langweilte, brauchte er nur den Papierkram beiseite zu schieben und mit Trickshots 14 zu beginnen. Anschließend hielt er sich nicht damit auf, die Papiere wieder hervorzuholen. Seiner Meinung nach wurden wichtige Dinge nie irgendwo notiert, weil die Leute sie sofort herausschrien.
    Mustrum Ridcully verfaßte seine Memoiren. Er hatte bereits den Titel: Am Ankh entlang mit Bogen, Rute und dem Stab-mit-einem-Knauf-am-Ende. Er schrieb nun: »Nur wenige Leute wissen, daß im Fluß Ankh viele unterschiedliche Fische leben…« 15 *
    Er ließ den Federkiel fallen, stürmte durch den Flur und erreichte kurze Zeit

Weitere Kostenlose Bücher