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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schließlich begriff Albert, daß es an
    ihm lag, den Dialog wieder in Gang zu bringen.
    »Weil sie vergessen wollen?«
    »Ja. Genau. Weil sie vergessen wollen. Stimmt.«
    »Hattet ihr in letzter Zeit Rekruten, die ein wenig seltsam waren?«
    »Kann sein«, erwiderte die Stimme langsam. »Erinnere mich nicht dar-
    an.«
    Die Klappe schloß sich.
    Albert klopfte erneut ans Tor. Die Klappe öffnete sich.
    »Ja, was ist?«

    »Erinnerst du dich wirklich nicht?«
    »An was?«
    Albert atmete tief durch.
    »Ich möchte den kommandierenden Offizier sprechen.«
    Die Klappe schloß sich. Die Klappe öffnete sich.
    »Entschuldige. Offenbar bin ich der kommandierende Offizier. Bist du vielleicht ein D’reg oder ein Herschebianer?«
    »Weißt du’s nicht?«
    »Ich… äh… bin ziemlich sicher, daß ich’s einmal gewußt habe. Mein
    Kopf ist wie… wie ein Dingsbums mit Löchern drin… man verwendet
    es, um Salat und so abtropfen zu lassen, äh…«
    Geräusche deuteten darauf hin, daß mehrere Riegel beiseite geschoben
    wurden. Kurz darauf öffnete sich eine kleine Pforte im Tor.
    Der »kommandierende Offizier« schien ein Feldwebel zu sein, soweit
    Albert das bei seinen mangelnden Kenntnissen über die klatschianischen
    Ränge feststel en konnte. Er sah aus wie jemand, der viel vergessen hatte,
    unter anderem auch, wie man sich richtig ausschlief.
    Es gab noch andere klatschianische Soldaten im Fort. Sie saßen oder
    hielten sich, mehr oder weniger mühsam, auf den Beinen. Viele trugen
    Verbände. Noch mehr Legionäre lagen auf dem Boden und brauchten
    nie wieder zu schlafen.
    »Was ist hier geschehen?« fragte Albert. Seine Stimme hatte einen so
    autoritären Klang, daß der Feldwebel aus einem Reflex heraus salutierte.
    »Die D’regs haben uns angegriffen«, erwiderte er und schwankte ein
    wenig. »Hunderte von ihnen! Sie waren uns, äh… wie nennt man die
    Zahl nach neun? Hat zwei Stel en, und eine davon ist eine Eins.«
    »Zehn.«
    »Ja. Der Feind war uns zehn zu eins überlegen.«
    »Wie ich sehe, ist es dir gelungen zu überleben«, sagte Albert.
    »Äh«, erwiderte der Feldwebel. »Ja… äh… ja. An dieser Stelle wird’s
    ein wenig kompliziert. Äh… Korporal? Du bist gemeint. Nein, du da,
    neben dem anderen, du da. Du da mit den beiden Streifen…«

    »Ich?« vergewisserte sich ein recht dicker Soldat.
    »Ja. Erzähl ihm, was sich hier zugetragen hat.«
    »Oh. Na schön. Nun, die Mistkerle spickten uns mit Pfeilen. Ziemlich
    übel sah’s für uns aus. Da kam jemand auf die Idee, die Toten nach oben
    zu tragen, auf den Wehrgang, mit ihren Waffen und so. Die blöden
    D’regs sol ten denken, daß uns noch immer viele Leute zur Verfügung
    standen…«
    »Besonders originell ist die Idee nicht«, meinte der Feldwebel. »In Not
    geratene Verteidiger greifen immer wieder zu diesem Trick.«
    »Ja«, räumte der Korporal vol er Unbehagen an. »Vermutlich haben das
    auch die D’regs gedacht. Und dann… und dann… als sie über die Dü-
    nen galoppierten, als sie uns fast erreicht hatten und lachten, als sie Din-ge heulten wie ›ach, schon wieder der alte Trick‹… da rief jemand ›Feu-
    er!‹ Und die Toten gehorchten.«
    »Die Toten gehorchten?«
    »Ich bin Legionär geworden, um… um zu… Du weißt schon, das mit
    den Erinnerungen.«
    »Um zu vergessen?« sagte Albert.
    »Ja, genau. Um zu vergessen. Und darin habe ich inzwischen viel
    Übung. Aber ich werde nie vergessen, wie mein alter Kumpel Rippenhauer Malik voller Pfeile steckte und den Angreifern trotzdem eine Lek-
    tion erteilte.« Der Korporal schüttelte den Kopf. »Meine Güte, es ist
    verdammt schwer, so etwas zu vergessen. Ich versuche es natürlich im-
    mer wieder.«
    Albert blickte zum Wehrgang hoch. Niemand zeigte sich dort.
    »Nach dem Kampf ließ sie jemand Aufstel ung beziehen, und dann
    marschierten sie fort«, sagte der Korporal. »Eine ganze Weile später ging
    ich nach draußen und fand Gräber. Die Burschen müssen sich selbst
    eingebuddelt haben…«
    »Wer sorgte dafür, daß die Toten Aufstel ung bezogen?« fragte Albert.
    Die Soldaten sahen sich an.

    »Darüber haben wir eben gesprochen«, entgegnete der Feldwebel. »Wir
    versuchen, uns daran zu erinnern. Er… er steckte in der Grube… als es
    begann.«
    »Er war groß, nicht wahr?« meinte Albert.
    »Er könnte groß gewesen sein, ja, das könnte er wirklich.« Der Korpo-
    ral nickte. »Zumindest hatte er eine große Stimme.« Die aus seinem eige-
    nen Mund kommenden Worte

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