Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
verwirrt hervor.
    »Hast du etwa getrocknete Froschpillen genommen, alter Knabe?«
    brummte Ridcully.
    »Natürlich nicht!« entfuhr es dem Dekan. »Die sind für labile Gemüter
    bestimmt!«
    »Aha. Das ist es also.«
    Der Vorhang ging hoch. Besser gesagt, er wurde nicht sehr geschickt
    beiseite gezogen.
    Die Band Mit Steinen Drin blinzelte im Fackelschein.
    Niemand klatschte. Aber es warf auch niemand etwas. Nach den Maß-
    stäben der Trommel war das ein herzlicher Empfang.
    Ridcully sah einen großen, krausköpfigen jungen Mann, der ein In-
    strument in den Händen hielt, das eine unterernährte Gitarre zu sein
    schien – oder viel eicht ein Banjo, das bei einem Kampf benutzt worden
    war. Neben ihm stand ein Zwerg mit einem großen Horn. Weiter hinten
    ragte ein Trol auf, der in jeder Pranke einen Hammer hielt und vor dem
    einige Steine lagen. Und auf der einen Seite… stand der Bibliothekar
    vor… Ridcully sah genauer hin. Es waren die Reste eines Pianos mit
    Bierfässern als Beinen.
    Die Aufmerksamkeit des Publikums schien den jungen Mann zu läh-
    men.
    Er sagte: »Hal o… äh… Ankh-Morpork…«
    Damit war sein Vokabular erschöpft, und er begann zu spielen.
    Dem einfachen Rhythmus hätte man auf der Straße vielleicht gar keine
    Beachtung geschenkt. Es folgten einige krachende Akkorde… Und dann
    begriff Ridcully, daß eigentlich gar keine Akkorde folgen konnten, weil
    der ursprüngliche Rhythmus noch immer erklang. Das eine schloß das
    andere aus. So konnte man eine Gitarre nicht spielen. Es war völlig un-
    möglich.

    Der Zwerg blies mehrmals ins Horn, und der Troll hämmerte auf die
    Steine. Der Bibliothekar ließ beide Hände auf die Klaviatur des Pianos
    sinken, scheinbar ohne bestimmte Tasten im Sinn zu haben.
    Nie zuvor hatte Ridcul y ein derartiges akustisches Chaos gehört.
    Und dann… war das Chaos kein Chaos mehr.
    Die Sache ähnelte dem Unsinn mit dem weißen Licht, von dem die
    jungen Zauberer des Forschungstraktes für hochenergetische Magie fa-
    selten. Sie behaupteten, al e Farben zusammen ergäben Weiß, was Rid-
    cul y für absoluten Quatsch hielt. Jeder wußte: Wenn man al e Farben
    mischte, die sich auftreiben ließen, erhielt man ein grünbraunes Etwas,
    das von reinem Weiß kaum weiter entfernt sein konnte. Wie dem auch
    sei… jetzt bekam er eine vage Vorstel ung von dem, was die jungen Ma-
    gier meinten.
    Al e Geräusche – das Klimpern, Krachen und Dröhnen – kamen zu-
    sammen und wurden Musik.
    Die Stirnlocke des Dekans zitterte.
    Das ganze Publikum geriet in Bewegung.
    Ridcully merkte plötzlich, daß er mit einem Fuß wippte. Er hob den
    anderen und trat energisch darauf.
    Der Trol schlug noch heftiger zu, bis die Wände wackelten. Die Finger
    des Bibliothekars huschten über die Klaviatur, danach die Zehen. Und
    über allem jaulte, heulte und sang die Gitarre ihre Melodie.
    Die Zauberer rutschten auf den Stühlen hin und her und fuchtelten mit
    den Armen.
    Ridcully beugte sich zum Quästor herüber und rief ihm etwas zu.
    »Was?« schrie der Quästor.
    »Sie sind alle verrückt geworden! Wir beide sind die einzigen Ausnah-
    men!«
    »Was?«
    »Es liegt an der Musik!«
    »Ja, sie ist großartig!« Der Quästor zuckte noch stärker als sonst.
    »Vielleicht bin ich die einzige Ausnahme!«

    Ridcully lehnte sich zurück und holte das Thaumometer hervor. Das
    Meßgerät vibrierte so heftig wie nie zuvor, ohne sich entscheiden zu
    können, ob es Magie anzeigen sol te oder nicht.
    Er gab dem Quästor einen Stoß.
    »Dies hier ist keine Magie, sondern etwas anderes!«
    »Da hast du völlig recht!«
    Ridcully hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr die richtige Sprache zu
    sprechen.
    »Ich meine, es ist zuviel!«
    »Ja!«
    Der Erzkanzler seufzte.
    »Wird es Zeit für deine getrocknete Froschpille?«
    Rauch quol aus dem geplagten Piano. Die Hände des Bibliothekars ar-
    beiteten sich unaufhaltsam durch die Tasten wie Casanunda durch ein
    Nonnenkloster.
    Ridcully sah durch den Schankraum. Er kam sich sehr al ein vor.
    Noch jemand war von der Musik ebenfal s nicht überwältigt worden.
    Klatschmaul Zitrone und seine beiden Begleiter standen auf. Sie hielten
    häßliche Knüppel in den Händen.
    Ridcully kannte die Gildengesetze. Sie waren nötig, um in der Stadt für
    Ordnung zu sorgen – irgendwie mußte ihre Einhaltung durchgesetzt
    werden. Dieser Radau war bestimmt keine lizensierte Musik. Wenn es
    unlizensierte Musik gab, ließen sich derartige Klänge leicht dieser

Weitere Kostenlose Bücher