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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Himmels folgten. Längs der Straße, rechts und links standen immer nur große, trockene Disteln und Riesenfenchel mit gelben Dolden. Dann zeigte sich einen Augenblick ein bei der Arbeit verspätetes Ochsenviergespann; es hob sich schwarz von der klaren Luft ab und sah inmitten der düstern Einsamkeit außerordentlich groß aus. Weiterhin bildeten Haufen von Schafen, deren scharfen Schweißgeruch der Wind herübertrug, braune Flecken auf dem wieder grün gewordenen Gras. Manchmal bellte ein Hund. Es war die einzige deutliche Stimme in dem heimlichen Schauer dieser stillen Einöde, wo der erhabene Friede der Toten zu herrschen schien. Aber ein leiser Gesang ertönte: Lerchen flogen empor und eine von ihnen stieg sehr, sehr hoch in den hellgoldenen Himmel auf. Und gegenüber, im Hintergrunde dieses reinen, kristallklaren Himmels wuchs Rom mit seinen Türmen und Domen immer größer empor, wie eine Stadt aus weißem Marmor, die durch ein Wunder zwischen dem Grün eines Zaubergartens ersteht.
    »Matteo,« rief Prada seinem Kutscher zu, »halte bei der Osteria Romana.«
    Dann wandte er sich zu seinen Gefährten.
    »Bitte, mich zu entschuldigen, aber ich will nachsehen, ob es dort keine frische Eier für meinen Vater gibt. Er ißt sie leidenschaftlich gern.«
    Das Haus erschien und der Wagen hielt. Ganz am Rande der Straße stand eine Art primitives Wirtshaus mit einem hochtönenden und stolzen Namen: Antica Osteria Romana. Es war eine einfache Kärrnerstation, in die sich nur Jäger wagten, um eine Flasche Weißwein zu trinken und dabei einen Eierkuchen und ein Stück Schinken zu essen. Trotzdem drang das kleine Volk von Rom manchmal Sonntags bis hierher, um sich zu erlustigen. Aber unter der Woche, in der ungeheuren, kahlen Campagna, verflossen ganze Tage, ohne daß eine menschliche Seele eintrat.
    Der Graf sprang bereits leicht vom Wagen herab, indem er sagte:
    »Es wird bloß eine Minute dauern; ich komme sofort zurück.«
    Die Osteria bestand nur aus einem langen, niedrigen, einstöckigen Gebäude; der Zugang zu diesem Stockwerk geschah auf einer äußern, aus groben Steinen gebildeten Treppe, die die heiße Sonne verbrannt hatte. Uebrigens war das ganze Gebäude abgenutzt und besaß die Farbe von altem Golde. Im Erdgeschoß befanden sich ein gemeinsamer Saal, eine Remise, ein Stall und Schoppen. Auf der einen Seite, neben einer Gruppe von Schirmpinien – dem einzigen Baume, der auf diesem undankbaren Boden wuchs – befand sich ein Laubengewölbe aus Schilf, unter dem fünf oder sechs hölzerne, mit der Axt zubehauene Tische aufgereiht standen. Dahinter erhob sich, gleichsam als Hintergrund dieses armseligen und düsteren Stück Lebens, das Bruchstück einer alten Wasserleitung, deren gähnende, halb zerfallene Bogen das einzige waren, das die flache Linie des grenzenlosen Horizonts durchschnitt.
    Aber der Graf kehrte plötzlich zurück.
    »Hören Sie, Abbé, Sie werden wohl ein Glas Weißwein annehmen, nicht wahr? Ich weiß, Sie sind ein bißchen Winzer und hier gibt es ein Weinchen, das man kennen muß.«
    Santobono stieg, ohne sich bitten zu lassen, ruhig ebenfalls aus.
    »O, ich kenne ihn, ich kenne ihn! Es ist ein Marinowein, der in einem noch magereren Boden gebaut wird, als bei uns in Frascati.«
    Aber da er seinen Korb Feigen noch immer nicht losließ und mittrug, wurde der Graf ungeduldig.
    »Nun, den haben Sie doch nicht nötig! Lassen Sie ihn doch im Wagen!«
    Der Pfarrer antwortete nicht, sondern schritt weiter, wahrend Pierre sich ebenfalls zum Aussteigen entschloß; er war neugierig, eine Osteria, eine dieser Volksschenken zu sehen, von denen man ihm erzählt hatte.
    Prada war hier bekannt; sofort erschien eine alte, große, ausgetrocknete Frau, die trotz ihres armseligen Rockes von königlicher Haltung war. Das letztemal hatte sie zuletzt ein halbes Dutzend frischer Eier gefunden und diesmal wollte sie auch nachsehen, ohne im voraus etwas zu versprechen; denn man wußte es nie, die Hennen legten aufs Geratewohl in alle Ecken.
    »Gut, gut, sehen Sie nur nach. Man soll uns eine Flasche Weißwein bringen.«
    Alle drei traten in den gemeinschaftlichen Saal. Es war darin schon ganz Nacht geworden. Obwohl die heiße Jahreszeit vorbei war, hörte man schon von der Schwelle aus das dumpfe Summen der Fliegenschwärme. Ein herber Geruch von saurem Wein und ranzigem Oel preßte die Kehle zusammen. Sobald sich ihre Augen ein wenig an das Dunkel gewöhnt hatten, konnten sie das große, geschwärzte, verpestete und

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