Rom - Band II
überzeugt, daß Monsignore Gallo vergiftet ward, weil er sein teuerster Vertrauter, sein Ratgeber war, dem er stets Gehör schenkte, da seine weisen Ratschläge eine Bürgschaft des Sieges waren.«
Die Bestürzung Pierres war groß. Er wandte sich direkt an Santobono, dessen aufreizende Unbeweglichkeit ihn vollends beunruhigte.
»Das ist albern, das ist schrecklich! Und Sie, Herr Pfarrer, glauben Sie auch an diese schrecklichen Geschichten?«
An dem Priester zuckte keine Wimper. Er that seine dicken, gewaltsam zusammengepreßten Lippen nicht auf, und wandte seine dunkel flammenden Augen, die er auf Prada gerichtet hielt, von ihm nicht ab. Dieser fuhr übrigens fort, Beispiele anzuführen. Und Monsignore Nazzarelli, den man in seinem Bette gefunden hatte, zusammengeschrumpft und verkalkt wie eine Kohle? Und Monsignore Brando, den es im St. Peter selbst, während der Vesper betroffen hatte, der in der Sakristei, im Priesterornat gestorben war?
»Ach Gott!« seufzte Pierre, »Sie erzählen mir so viel, daß ich zuletzt selber zittere, und in Ihrem schrecklichen Rom nichts mehr als weiche Eier zu essen wagen werde!«
Dieser Scherz erheiterte einen Augenblick den Grafen und ihn. Wahrlich, aus ihrem Gespräch entwickelte sich ein schreckliches Rom – die ewige Stadt der Verbrechen, des Dolches und Giftes, wo seit mehr als zweitausend Jahren, seit der ersten errichteten Mauer, die Sucht nach Macht, die wütende Lust nach Genießen und Besitzen die Hände bewaffnet, das Pflaster blutig gefärbt und Opfer in den Tiber oder in die Erde geschleudert hatte. Meuchelmorde und Vergiftungen unter den Kaisern, Vergiftungen und Meuchelmorde unter den Päpsten – dieselbe Greuelflut wälzte die Toten unter der erhabenen Glorie der Sonne über diesen tragischen Boden.
»Thut nichts,« fuhr der Graf fort, »wer vorsichtig ist, hat vielleicht nicht unrecht. Es heißt, daß mehr als ein Kardinal bebt und Mißtrauen hegt. Ich weiß von einem, der nichts anderes ißt, als Speisen, die sein Koch einkauft und zubereitet. Was den Papst anbetrifft, wenn er unruhig ist, so ...«
Pierre stieß abermals einen Schrei der Betroffenheit aus.
»Wie, der Papst selbst? Der Papst fürchtet sich vor Gift!«
»Allerdings, mein lieber Abbé, man behauptet es wenigstens. Es gibt sicherlich Tage, an denen er sich in erster Reihe bedroht sieht. Wissen Sie nicht, daß in Rom der alte Glaube herrscht, ein Papst dürfe nicht zu alt werden, und daß man ihm hilft, wenn er darauf besteht, nicht rechtzeitig zu sterben? Sobald ein Papst kindisch, sobald er durch seine Altersschwäche eine Last, sogar eine Gefahr für die Kirche wird, ist sein natürlicher Platz im Himmel. Die Sache wird übrigens mit allem Anstand gemacht; der geringste Schnupfen ist ein dezenter Vorwand, damit er nicht länger auf dem Thron St. Peters säumt.«
Bei dieser Gelegenheit fügte er seltsame Einzelheiten hinzu. Ein Prälat, hieß es, der die Befürchtungen Seiner Heiligkeit zerstreuen wollte, hatte ein ganzes System von Vorsichtsmaßregeln ausgedacht, darunter einen kleinen, verschlossenen Wagen für die Vorräte, die für die päpstliche, übrigens sehr frugale, Tafel bestimmt waren. Aber dieser Wagen war beim bloßen Plan geblieben.
»Aber eigentlich muß man ja einmal sterben, besonders wenn es für das Wohl der Kirche ist,« schloß er zuletzt lachend. »Nicht wahr, Abbé?«
Seit einer Weile hatte Santobono, unbeweglich dasitzend, die Blicke gesenkt, als betrachte er endlos den kleinen Korb Feigen, den er mit so viel Sorgfalt wie ein heiliges Sakrament auf den Knieen hielt. Als er nun in so unmittelbarer und so lebhafter Weise befragt wurde, konnte er es nicht vermeiden, die Augen aufzuschlagen. Aber er trat aus seinem tiefen Schweigen nicht heraus und begnügte sich damit, langsam den Kopf zu neigen.
»Nicht wahr, Abbé, Gott allein und nicht das Gift führt den Tod herbei?« wiederholte Prada. »Man erzählt sich, daß das das letzte Wort des armen Monsignore Gallo war, als er in den Armen seines Freundes, des Kardinals Boccanera, verschied.«
Santobono neigte abermals wortlos den Kopf und alle drei schwiegen nachdenklich.
Der Wagen rollte unablässig durch die kahle Unermeßlichkeit der Campagna; die ganz gerade Straße schien ins Unendliche zu gehen. Je mehr die Sonne am Horizont unterging, desto mehr bezeichnete das Spiel von Licht und Schatten die riesigen Wellen des Bodens, die einander derart in rosigem Grün und lila Grau bis zu den fernen Rändern des
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