Rom - Band III
Volles sein konnte, wenn der Papst in Rom, mit Rom nicht der Vater, die Bundeslade, der geistige Führer war, dem alles gehörte und gehorchte, so bedeutete das in seinen Augen den Schiffbruch der letzten Hoffnung, das letzte Krachen, in dem die gegenwärtige Gesellschaft unterging. Dieses ganze Gerüst des katholischen Sozialismus, das ihm für die Befestigung der alten Kirche so vorteilhaft erschienen war, sah er jetzt auf der Erde liegen; er beurteilte es strenge, wie ein einfaches Uebergangsmittel, das vielleicht jahrelang die Ruinen stützen konnte. Aber all das war nur auf einem absichtlichen Mißverständnis, auf einer geschickten Lüge, auf Diplomatie und Politik aufgebaut. Nein, nein, es widerstrebte der Vernunft, daß das Voll wieder gewonnen und betrogen, geschmeichelt und dann geknechtet werden sollte! Das ganze System stellte sich als ausgeartet, gefährlich, zeitweilig dar und mußte zu den schlimmsten Katastrophen führen. Das war also das Ende. Nichts blieb aufrecht stehen, und die alte Welt sollte in der furchtbaren, blutigen Krisis, deren Nahen sichere Zeichen verkündeten, verschwinden. Und er hatte angesichts dieses Chaos kein Herz mehr, denn er hatte bei diesem Experiment von neuem seinen Glauben verloren. Er hatte gefühlt, daß es entscheidend sein werde; er war im voraus überzeugt gewesen, daß er entweder gestärkt oder für ewig zerschmettert daraus hervorgehen würde. Der Blitzstrahl war hinabgefahren. Großer Gott, was jetzt?
Die Angst packte ihn so rauh an, daß er sich erhob und im Zimmer umherzugehen begann, um ein wenig Ruhe Zu finden. Großer Gott, was sollte er anfangen, da er nun wieder dem ungeheuren Zweifel, der schmerzlichen Verneinung ausgeliefert war und die Sutane noch nie so schwer auf seinen Schultern gelastet hatte! Er erinnerte sich, mit welchem Aufschrei er sich geweigert hatte, sich zu unterwerfen; seine Seele könne sich nicht ergeben, hatte er zu Monsignore Nani gefügt, seine Hoffnung auf eine Rettung durch die Liebe könne nicht sterben; er würde mit einem zweiten Buche antworten, er würde sagen, in welcher neuen Erde die neue Religion sprossen müßte. Ja, ein flammendes Buch gegen Rom, in das er alles legen würde, was er gesehen, was er gehört hatte; ein Buch, das das wahre Rom, das unbarmherzige, lieblose Rom zeigen würde, das im Begriffe war, in der Hoffart seines Purpurs zu sterben! Er wollte nach Paris zurück, aus der Kirche austreten, bis zum Schisma gehen. Nun denn, sein Gepäck lag da, er reiste ab – er würde das Buch schreiben, würde der große, erwartete Schismatiker sein. Ach, kündigt denn nicht alles das Schisma an? Schien es nicht inmitten der seltsamen Bewegung der der Dogmen überdrüssigen und doch nach dem Göttlichen hungernden Geister nahe bevorzustehen? Leo XIII. war sich dessen wohl dumpf bewußt, denn seine ganze Politik, sein Streben nach der christlichen Einheit, seine Zärtlichkeit für die Demokratie hatten keinen andern Zweck, als die Familie um das Papsttum zu gruppiren, sie zu stärken und zu festigen, um den Papst für den nahen Kampf unbesiegbar zu machen. Aber die Zeit war gekommen; der Katholizismus würde bald am Ende der politischen Zugeständnisse angelangt und nicht mehr im stände sein, noch mehr nachzugeben, ohne daran zu sterben. Er würde gleich einem alten, hieratischen Götzen in Rom immobilisirt sein, während er sich anderwärts, in jenen Propagandaländern, wo er sich im Kampf mit den anderen Religionen befand, entwickeln konnte. Darum wohl war Rom verdammt, umsomehr als die Abschaffung der weltlichen Herrschaft, indem sie den Geist an die Vorstellung von einem rein geistigen, vom Boden befreiten Papste gewohnte, es begünstigen zu müssen schien, daß ein Antipapst in der Ferne aufstand, während der Nachfolger des heiligen Petrus gezwungen wäre, bei seiner apostolisch-römischen Fiktion zu beharren. Ein Bischof, ein Priester würde sich erheben. Wo? Wer hätte das zu sagen vermocht? Vielleicht da drüben, in diesem so freien Amerika, unter diesen Priestern, aus denen die Notwendigkeit des Kampfes ums Leben überzeugte Sozialisten, feurige Demokraten gemacht hat, die bereit sind, mit dem nächsten Jahrhundert vorwärts zu gehen. Und während Rom von seiner Vergangenheit, den Mysterien und den Dogmen nichts wird preisgeben können, wird dieser Priester von diesen Dingen alles aufgeben, was von selbst in Staub zerfällt. Dieser Priester, dieser große Reformator, dieser Retter der modernen Gesellschaft zu
Weitere Kostenlose Bücher