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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Klasse, die über die Leere, in der ihre befreite Vernunft, ihr erweiterter Geist sie zurücklassen, verzweifelt ist. Es ist die Angst vor dem Unbekannten, die wieder erwacht; aber das ist nur eine natürliche, flüchtige Reaktion nach so viel Arbeit, im ersten Augenblick, da die Wissenschaft noch weder unsern Durst nach Gerechtigkeit, noch unser Verlangen nach Sicherheit, noch unsere uralte Vorstellung vom Glück befriedigt, die im Ueberleben, im ewigen Genießen besteht. Damit der Katholizismus, wie man verkündet, wieder erstehen kann, müßte der soziale Boden geändert werden; der aber vermag sich nicht zu ändern; er besitzt nicht mehr den nötigen Saft zur Erneuerung einer hinfälligen Formel, die die Schulen und Laboratorien täglich mehr töten. Der Boden hat sich verändert; eine andere Eiche wird darauf wachsen. Möge doch die Wissenschaft ihre Religion haben, wenn eine aus ihr sprossen muß! Denn diese Religion wird bald die einzig mögliche für die Demokratie von morgen, für die immer kenntnisreicheren Völker sein, bei denen der Katholizismus schon jetzt nur mehr Asche ist.
    Und Pierre kam plötzlich zu einem Schluß, indem er an die Dummheit der Indexkongregation dachte. Sie hatte sein Buch verdammt und würde sicherlich auch das neue Buch, dessen Plan ihm eben aufgestiegen war, verdammen, falls er es je schreiben würde. Wahrlich, ein schönes Geschäft, arme Bücher schwärmerischer Träumer zu vernichten, Chimären, die sich wütend über Chimären stürzten! Und dieses kleine Schulbuch, das er da in den Händen hielt, diesen einzigen furchtbaren, stets triumphirenden Feind, der die Kirche sicherlich stürzen wird, hatte sie in ihrer Dummheit nicht mit dem Interdikt belegt! Es half nichts, daß es sich als armes Schulbuch so bescheiden gab: die Gefahr begann bei dem Alphabet, das die kleinen Kinder buchstabirten, sie wuchs, je mehr Kenntnisse der Schulplan aufnahm, sie kam zum Ausbruch mit den Ergebnissen der Physik, Chemie und Naturlehre, die die Schöpfung des Gottes der heiligen Schrift wieder in Frage stellten. Aber das Schlimmste war, daß der bereits entwaffnete Index diese bescheidenen Bücher, diese furchtbaren Soldaten der Wahrheit, diese Zerstörer des Glaubens nicht zu unterdrücken wagte. Welchen Wert hatte also all das Geld, das Leo XIII. dem verborgenen Schatze des Peterspfennigs entnahm, um damit die katholischen Schulen auszustatten, um dort das gläubige Geschlecht von morgen zu formen, dessen das Papsttum zu seinem Siege bedurfte! Welchen Wert besaß die Schenkung dieses kostbaren Geldes, wenn es nur zum Ankauf dieser geringen und furchtbaren Bücher diente! Niemals würde man sie genügend säubern können, denn sie enthielten stets zu viel Wissenschaft, jene wachsende Wissenschaft, deren Ausbruch zuletzt eines Tages den Vatikan und St. Peter in die Luft sprengen würde! Ach, was für ein Elend, was für ein Hohn war der alberne, nichtige Index!
    Nachdem Pierre das Buch Theophil Morins in seinen Handkoffer gesteckt hatte, kehrte er ans Fenster zurück und hatte dort eine seltsame Vision. In der so milden und so traurigen Nacht, an dem wolkigen, von dem rostfarbigen Mond gelb gefärbten Himmel hatten sich schwebende Nebel erhoben, die die Dächer teilweise hinter ihren schleppenden, Leichentüchern gleichenden Fetzen verbargen. Ganze Gebäude waren vom Horizont verschwunden. Und er stellte sich vor, daß die Zeit sich erfüllt, daß die Wahrheit den Dom von St. Peter in die Luft gesprengt hatte. In hundert oder in tausend Jahren würde er somit zusammengebrochen, geschleift unter dem dunklen Himmel liegen. An dem aufregenden Tage, da er eine Stunde in ihm zubrachte, hatte er wohl gemerkt, daß er unter ihm schwanke und berste; mit Verzweiflung erblickte er von oben das eigensinnig bei dem Purpur der Cäsaren beharrende päpstliche Rom und sah von damals an voraus, daß dieser Tempel des katholischen Gottes zusammenbrechen würde, so wie der Tempel des Jupiter auf dem Kapitol zusammengebrochen war. Das war nun geschehen; der Dom hatte den Boden mit seinen Trümmern besät und nichts war mehr von ihm übrig als ein Stück des Chors mit fünf Säulen des Mittelschiffes, die noch ein Stück des Simses stützten. Insbesondere aber standen die vier Säulen des Kreuzarmes, die den Dom getragen hatten, die cyklopischen Pfeiler noch immer einsam und stolz, wie unzerstörbar unter den umliegenden Trümmern. Dichtere Nebel wälzten sich dahin; noch weitere tausend Jahre verstrichen

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