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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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einflußreichste Mann, der vielgeliebte Kammerdiener Seiner Heiligkeit, der einzige, der ihn bewegen konnte, an Empfangstagen eine reine weiße Sutane anzuziehen, wenn die, die er trug von Taback allzu beschmutzt war. Seine Heiligkeit bestand auch eigensinnig darauf, sich jede Nacht ganz allein in seinem Zimmer einzuschließen und niemand bei sich schlafen zu lassen; das geschah aus Unabhängigkeit, aber, wie es hieß, auch infolge der Angst des Geizhalses, der mit seinem Schatz allein schlafen will. Dies verursachte fortwährende Beunruhigung, da es nicht vernünftig war, wenn sich ein Greis dieses Alters derart verrammelte; Herr Squadra schlief bloß in einem Nebenzimmer, war aber stets auf der Lauer und immer bereit, auf den leisesten Ruf herbei zu eilen. Er war es auch, der sich ehrfurchtsvoll ins Mittel legte, wenn Seine Heiligkeit zu lange aufblieb, zu viel arbeitete. Trotzdem nahm er in diesem Punkte schwer Vernunft an; er stand auf, wenn er keinen Schlaf finden konnte, und ließ durch ihn einen Sekretär wecken, um Notizen zu diktiren, um den Entwurf einer Encyklika zu Papier zu bringen. Wenn die Abfassung einer Encyklika ihn beschäftigte, so hätte er Tag und Nacht dabei zubringen mögen, so wie einst, da er auf seine schönen lateinischen Verse stolz war, die Morgendämmerung ihn manchmal beim Feilen einer Strophe überraschte. Er schlief sehr wenig, denn er war die Beute fortwährender Arbeit, einer außerordentlichen Gehirnthätigkeit und ward stets von der Verwirklichung irgend einer alten Absicht verfolgt. Nur das Gedächtnis war in letzter Zeit etwas schwächer geworden. Vielleicht hatte Herr Squadra Seine Heiligkeit infolge irgend einer übermäßigen Arbeit leidender gefunden, da er, wie es geheißen hatte, noch tags zuvor so krank gewesen war. Uebrigens verschmähte er es zumeist, sich zu pflegen.
    Während Pierre fortfuhr, leise auf und ab zu schreiten, wurde er so nach und nach von dieser hohen und erhabenen Gestalt durchdrungen. Von den geringen Einzelheiten des täglichen Lebens ging er zu dem geistigen Leben, zu der Rolle eines großen Papstes über, die Leo XIII. sicherlich zu spielen gedachte. Er hatte in S. Giovanni de Laterano den endlosen Fries gesehen, auf dem die Porträts der zweihundertzweiundsechzig Päpste dargestellt sind und er fragte sich, welchem Papste in dieser langen Reihe von Mittelmäßigen, Heiligen, Verbrechern und Genies Leo XIII. wohl gleichen wollte. Einem der ersten, so demütigen Päpste, einem jener, die einander während der ersten drei Jahrhunderte verborgenen Lebens folgten, die einfache Leiter von Leichenbestattungsvereinen, brüderliche Hirten der christlichen Gemeinde waren? Dem Papst Damasius, dem ersten großen Bauherrn, dem Gelehrten, der sich in geistigen Dingen gefiel, dem Gläubigen mit dem lebendigen Glauben, der den frommen Getreuen die Katakomben öffnete? Leo III., dessen kühne Hand durch die Salbung Karls des Großen den Bruch mit dem von dem großen Schisma bereits getrennten Orient vollendete, der kraft des einzigen, allmächtigen Willens Gottes und seiner Kirche, die fortan über die Kronen verfügte, dem Westen die Herrschaft gab? Dem furchtbaren Gregor VII., dem Tempelreiniger, dem Beherrscher der Könige? Innocenz III., Bonifacius VIII., den Herren der Seelen, Völker und Throne, die, mit dem grimmigen Bannfluch bewaffnet, mit solcher Gewalt das entsetzte Mittelalter beherrschten, daß der Katholizismus nie mehr so nahe der Verwirklichung seines Traumes stand? Urban II., Gregor IX., oder einem andern der Päpste, in deren Herz die brennende Leidenschaft der Kreuzzüge, die Sucht nach heiligen Abenteuern brannte, die die Mengen emportrug, der Eroberung des Unbekannten und Göttlichen zutrieb? Alexander III., der das Papsttum gegen das Kaiserreich verteidigte, bis zuletzt kämpfte, um von der höchsten Gewalt, in die Gott ihn eingesetzt, nichts abzutreten, und endlich siegte, indem er seinen Fuß triumphirend auf das Haupt Friedrich Barbarossas setzte? Julius II., der lange nach der traurigen Zeit von Avignon den Panzer trug und die politische Macht des heiligen Stuhles befestigte? Leo X., dem Prunkvollen, dem glorreichen Beschützer der Renaissance, eines ganzen großen Kunstzeitalters, der aber einen beschränkten, nicht vorausschauenden Geist besaß, da er Luther als einfachen empörten Mönch behandelte? Pius V., der finstern, rasenden Reaktion, der Scheiterhaufenflamme, die die wieder heidnisch gewordene Erde züchtigte? Einem

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