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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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tödliche Gefahr erkannt, die darin lag, wenn die sozialistische Lösung in den Händen der Feinde des Christentums gelassen ward, und war fortan entschlossen, in dem zeitgenössischen Streit wie einst Jesus für die Verteidigung der Armen und Geringen einzutreten. Er sah ihn, wie er sich auf die Seite der Demokratie stellte, die Republik in Frankreich anerkannte, die von ihren Thronen verjagten Könige im Exil ließ und die Weissagung verwirklichte, die Rom von neuem die Weltherrschaft verhieß, sobald das Papsttum den Glauben vereinigt haben und an der Spitze des Volkes marschiren würde. Die Zeit erfüllte sich: Cäsar war zu Boden geschlagen, der Papst allein blieb zurück. Würde das Volk, der große Stumme, den sich die beiden Mächte so lange streitig machten, sich nicht dem Vater hingeben, da dieser jetzt, wie er wußte, gerecht und barmherzig war, da er die brotlosen Arbeiter und die Bettler von der Straße mit glühendem Herzen und ausgestreckter Hand aufnahm? In der furchtbaren Katastrophe, die die verfaulten Gesellschaften bedrohte, in dem furchtbaren Elend, das die Städte verwüstete, war keine andere Lösung möglich als Leo XIII., der Geweissagte, der notwendige Erlöser, der Hirte, der gesandt ward, um seine Schafe durch die Wiederherstellung der christlichen Gemeinde, des vergessenen goldenen Zeitalters des Urchristentums vor dem nahen Unheil zu retten. Endlich herrschte die Gerechtigkeit, endlich strahlte die Wahrheit wie die Sonne, und alle Menschen waren versöhnt, nur mehr ein einziges, in Frieden lebendes, nur dem gleichmachenden Gesetz der Arbeit gehorchendes Volk unter dem hohen Schutze des Papstes, des einzigen Bandes der Barmherzigkeit und Liebe!
    Nun packte es Pierre wie eine Flamme und trug, stieß ihn vorwärts. Endlich, endlich sollte er ihn sehen, ihm sein Herz ausschütten, seine Seele aufthun! Seit so vielen Tagen sehnte er diese Minute leidenschaftlich herbei, kämpfte er mit seinem ganzen Mute, um sie zu erreichen! Er erinnerte sich der unaufhörlich entstehenden Hindernisse, mit denen man ihn seit seiner Ankunft in Rom fesseln wollte; dieser lange Kampf, dieser schließliche, unerhoffte Erfolg verdoppelten sein Fieber, verstärkten seinen Wunsch, zu siegen. Ja, ja, er würde die Gegner seines Buches besiegen, zu Schanden machen. Konnte denn, wie er zu Monsignore Fornaro gesagt hatte, der heilige Vater ihn verleugnen? Hatte er denn nicht einfach seine geheimen Ideen ausgedrückt? Vielleicht zu früh, aber das war doch ein verzeihlicher Fehler! Er erinnerte sich auch, was er Monsignore Nani erklärt hatte – an dem Tage, da er geschworen, sein Buch niemals zu unterdrücken, da er nichts bereue, nicht ableugne. In dieser Minute prüfte er sich wieder, und in der heftigen nervösen Erregung, in die ihn das Warten nach der endlosen Wanderung durch diesen ungeheuren, ihn so stumm und finster umgebenden Vatikan versetzte, glaubte er im Besitze seiner ganzen Tapferkeit, seiner ganzen Willenskraft zu sein; sie sollten ihm helfen, sich zu verteidigen, seiner Ueberzeugung zum Siege zu verhelfen. Trotzdem geriet er immer mehr in Verwirrung und kam dahin, seine Gedanken zusammenzusuchen, sich zu fragen, wie er eintreten, was und in welchen Ausdrücken er sprechen würde. Wirre und schwere Dinge mußten sich in ihm angehäuft haben, denn ihr Gewicht trug viel zu seiner Beklemmung bei, ohne daß er sich davon Rechenschaft geben wollte. Im Grunde war er schon zerbrochen, erschöpft und besaß keine andere Spannkraft mehr als den Flug seines Traumes, den Aufschrei seines Mitleids mit dem abscheulichen Elend. Ja, ja, er würde rasch eintreten, auf die Knie fallen, sprechen wie er könnte, sein Herz überströmen lassen. Und sicherlich würde der heilige Vater ihm zulächeln und ihn mit den Worten wegschicken, daß er das Verdammungsurteil eines Buches nicht unterzeichnen würde, in dem er sich selbst, mit allen seinen liebsten Gedanken wiedergefunden habe.
    Pierre wandelte eine solche Schwäche an, daß er abermals ans Fenster schritt, um seine brennende Stirn an eine eisige Scheibe zu lehnen. In seinen Ohren brauste es, seine Beine knickten zusammen, während das Blut mit heftigen Stößen in seinem Schädel hämmerte. Er bemühte sich, an nichts mehr zu denken. Er betrachtete das schattenüberflutete Rom und bat es, ihm ein wenig von jenem Schlummer zu schenken, in dem es unterging. Um sich von diesem Spuk abzuziehen, versuchte er die Straßen, die Monumente an der bloßen Art der Gruppirung der

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