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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Lichter zu erkennen. Aber es war ein grenzenloses Meer; seine Gedanken verwirrten sich und trieben am Grunde dieses nächtigen, mit lügnerischen Lichtern bestreuten Abgrundes. Ach, um ruhig zu werden, um nicht mehr zu denken, muß Nacht sein, vollständige, wiederherstellende Nacht – eine Nacht, in der man vom Elend und Leid geheilt, auf immer schläft! Plötzlich hatte er das deutliche Gefühl, daß jemand unbeweglich hinter ihm stehe; mit einem leichten Zusammenfahren drehte er sich um.
    In der That, da stand Herr Squadra in seiner schwarzen Livree und wartete. Er machte bloß eine seiner Verbeugungen, um den Besucher aufzufordern, ihm zu folgen; dann ging er wieder voran, schritt durch den kleinen Thronsaal, öffnete langsam die Thür des Zimmers, trat beiseite, ließ ihn eintreten und machte ohne jedes Geräusch die Thür wieder zu.
    Pierre befand sich im Zimmer Seiner Heiligkeit. Er hatte sich vor einer jener niederschmetternden Gemütsbewegungen gefürchtet, die rasend machen oder lähmen; man hatte ihm erzählt, daß Frauen sterbend, ohnmächtig, wie berauscht ankamen, oder wie von unsichtbaren Flügeln gehoben, getragen, hereinstürzten. Aber plötzlich lief die Angst des Wartens, das wechselnde Fieber von vorhin in eine Art Schauer, in eine Reaktion aus, die ihn sehr ruhig machte. Seine Augen wurden klar und sahen alles. Beim Eintreten war ihm die entscheidende Bedeutung einer solchen Audienz ganz klar geworden: er, der einfache kleine Priester erschien vor dem Oberpriester, dem Haupt der Kirche, dem unumschränkten Herrn der Seelen. Sein ganzes religiöses und moralisches Leben sollte davon abhängen. Vielleicht war es dieser plötzliche Gedanke, der ihn an der Schwelle des gefürchteten Heiligtums, dem er ebenso zitternd zugeschritten, erstarren ließ; er hatte geglaubt, es nur bebenden Herzens, mit vernichteten Sinnen, bloß seine Kindergebete stammelnd, betreten zu können.
    Später, als er seine Erinnerungen regeln wollte, entsann er sich, daß er Leo XIII. zuerst erblickt hatte; aber er sah ihn in dem Rahmen, in dem er sich befand – in diesem großen, mit gelbem Damast ausgeschlagenen Zimmer mit dem ungeheuren Alkoven, der so tief war, daß das Bett darin ebenso wie die ganze kleine Einrichtung, eine Chaiselongue, ein Tisch, ein paar Truhen, verschwanden. Es waren die berühmten Truhen, in denen sich, wie es hieß, der Schatz des Peterspfennig befand. Ein Möbel im Stil Louis' XV., eine Art Schreibtisch mit ziselirten Kupferbeschlägen stand einem großen, vergoldeten und bemalten Pfeilertisch im Stil Louis' XV. gegenüber, auf dem sich neben einem hohen Kruzifix eine brennende Lampe befand. Das Zimmer war kahl und nichts anderes als drei Lehnstühle und vier oder fünf mit heller Seide bezogene Stühle füllten den ungeheuren Raum. Den Fußboden bedeckte ein bereits sehr stark abgenützter Teppich. Auf einem der Lehnstühle, neben einem kleinen fliegenden Tischchen, auf das eine zweite, mit einem Schirm gezierte Lampe gestellt worden war, saß Leo XIII. Auf dem Tischchen lagen drei Zeitungen, zwei französische und eine deutsche; die letztere war halb auseinandergefaltet, als ob der Papst sie einen Augenblick beiseite gelegt hätte, um mit Hilfe eines langen, vergoldeten Silberlöffels ein neben ihm stehendes Glas Sirup umzurühren.
    So wie Pierre das Zimmer gesehen, so sah er auch das Kostüm, die Sutane aus weißem Tuch mit weißen Knöpfen, das weiße Käppchen, die weiße Pellerine, den weißen, goldbefransten Gürtel, dessen Enden mit goldenen Schlüsseln bestickt waren. Die Strümpfe waren weiß, die Pantoffeln aus rotem, ebenfalls mit goldenen Schlüsseln bestickten Sammet. Am meisten überraschte ihn jedoch das Gesicht, die ganze Persönlichkeit, die ihm verkleinert vorkam, die er kaum erkannte. Das war seine vierte Begegnung mit ihm. Er hatte ihn an einem schönen Abend in einem wonnigen Garten gesehen, wie er lächelnd und vertraulich dem Geschwätz eines Lieblingsprälaten zuhörte, während er mit seinen kleinen, greisenhaften Schritten wie ein verwundeter Vogel umherhüpfte. Er hatte ihn im Beatifikationssaal gesehen als vielgeliebten, gerührten Papst, dessen Wangen sich vor Befriedigung röteten, während die Frauen ihm Geldbörsen, goldgefüllte, weiße Käppchen darbrachten, sich ihren Schmuck abrissen, um ihn ihm zu Füßen zu werfen, und sich gern das Herz herausgerissen hätten, um es ebenso hinzuwerfen. Er hatte ihn zu St. Peter gesehen – hoch auf dem Schild getragen, in

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