Rom - Band III
Eminenz geruhen wollen, mir zu folgen, ich werde Eminenz hinausbegleiten ...«
Er wandte sich zu Pierre:
»Sie können jetzt eintreten.«
Pierre sah ihnen nach, wie sie verschwanden – der eine so demütig, der andere so triumphirend. Dann trat er ein und erblickte sofort im Mittelpunkte des schmalen, mit einem einfachen Tisch und drei Stühlen ausgestatteten Arbeitszimmers den Kardinal Boccanera; er stand noch aufrecht, in der hohen, edlen Haltung da, die er angenommen hatte, um Sanguinetti, den gefürchteten, verwünschten Thronrivalen, zu begrüßen. Und sichtbarlich hielt sich Boccanera in der Phantasie ebenfalls für den einzig möglichen Papst, für den, den das Konklave von morgen wählen mußte.
Aber als die Thür sich geschlossen hatte, als er diesen jungen Priester, seinen Gast, erblickte, der dem Tode seiner zwei teuren, nun für ewig in dem Nebensaale schlummernden Kinder beigewohnt hatte, da wurde der Kardinal von einer unsagbaren Bewegung, von einer unerwarteten Schwäche befallen, in der seine ganze Energie unterging. Das war die Genugthuung, die seine Menschlichkeit nahm, jetzt, da sein Nebenbuhler ihn nicht mehr sehen konnte. Er schwankte, wie ein alter Baum unter der Axt erzittert, und sank, plötzlich von lautem Schluchzen erstickt, auf einen Stuhl nieder. Und als Pierre, dem Zeremoniell gemäß, den Smaragd küssen wollte, den er am Ringfinger trug, hob er ihn auf und wies ihm dicht vor sich einen Platz an, indem er mit gebrochener Stimme murmelte:
»Nein, nein, mein lieber Sohn, setzen Sie sich dahin, warten Sie ... Entschuldigen Sie mich – lassen Sie mich einen Augenblick – das Herz bricht mir.«
Er schluchzte in seine gefalteten Hände hinein; er vermochte sich nicht zu beherrschen, vermochte den Schmerz nicht mit seinen noch kräftigen Fingern, die er sich auf die Wangen, aus die Schläfen drückte, in sich hineinzupressen.
Thränen stiegen nun auch in die Augen Pierres, wahrend er ebenfalls das furchtbare Geschehnis noch einmal durchlebte; es erschütterte ihn, diesen hohen Greis, diesen gewöhnlich so stolzen, so selbstbeherrschten Heiligen und Fürsten weinen zu sehen. Er war nun nichts mehr als ein armes, im Todeskampf und Schmerz ringendes Wesen – so hilflos, so schwach wie ein Kind. Trotzdem er selbst erstickte, wollte er sein Beileid aussprechen und suchte nach ein paar guten Worten, um diese Verzweiflung ein wenig zu lindern.
»Ich bitte Eure Eminenz, an meinen tiefen Kummer zu glauben. Ich bin von Eminenz mit Güte überhäuft worden und legte Gewicht darauf, sofort auszusprechen, wie sehr dieser unersetzliche Verlust ...«
Aber der Kardinal hieß ihn mit einer mutigen Geberde schweigen.
»Nein, nein, sprechen Sie nicht, ich bitte Sie, sprechen Sie nicht!«
Und Stille herrschte, während er, von seinem Kampf geschüttelt, noch immer weinte und abwartete, bis er wieder stark genug sei, um sich zu beherrschen. Endlich bezähmte er seinen Schauer und entfernte langsam die Hände von seinem allmälich ruhiger gewordenen Gesicht. Es war nun wieder das Antlitz eines glaubensstarken, dem Willen Gottes unterworfenen Gläubigen. Da Gott sich geweigert hatte, ein Wunder zu thun, da er sein Haus so hart strafte, so hatte er zweifellos seine Gründe dafür und ihm, einem seiner Diener, einem der hohen Würdenträger seines irdischen Hofes, blieb nichts übrig, als sich zu beugen.
Das Schweigen dauerte noch einen Augenblick – dann sprach er, und es war ihm gelungen, seiner Stimme einen natürlichen und gefälligen Klang zu geben:
»Sie verlassen uns, mein lieber Sohn? Sie reisen morgen ab?«
»Ja, morgen. – Ich werde mir die Ehre geben, mich von Eurer Eminenz zu verabschieden und nochmals für die mir bewiesene unerschöpfliche Güte zu danken.«
»So haben Sie also erfahren, daß die Indexkongregation Ihr Buch verdammt hat, wie es ja unvermeidlich war?«
»Ja, ich hatte die ungewöhnliche Ehre, von Seiner Heiligkeit empfangen zu werden, und zu seinen Füßen habe ich mich unterworfen und mein Werk verworfen.«
In den feuchten Augen des Kardinals begann wieder eine Flamme aufzusteigen.
»Ah, das haben Sie gethan! Das war wohl gethan, mein lieber Sohn! Es war nur Ihre strikte Pflicht als Priester, aber in unserer Zeit gibt es so viele, die nicht einmal ihre Pflicht thun! ... Als Mitglied der Kongregation habe ich das Versprechen gehalten, das ich Ihnen gab, nämlich Ihr Buch zu lesen und besonders die von der Anklage bezeichneten Stellen sorgfältig zu studiren. Wenn
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