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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Stimme, als gehe er aus einem Kampf hervor, fuhr er fort:
    »Ich habe es ja gesagt – an dem Abend, als wir in Ihrem Zimmer mit einander sprachen, trotzdem die Thür dreifach verschlossen war ... Es war unrecht von mir, mit Ihnen frei über sie zu sprechen, mir das Herz zu erleichtern, indem ich Ihnen erzählte, wessen sie fähig sind. Ich wußte, daß sie es erfahren würden, und Sie sehen, sie haben es erfahren, da sie mich töten wollten ... Sehen Sie, in diesem Augenblick begehe ich auch ein Unrecht, Ihnen das zu sagen, denn sie werden es erfahren, und diesmal werden sie mich nicht verfehlen ... O, es ist aus! Ich bin tot – dieses edle Haus, das ich für so sicher hielt, wird mein Grab sein!«
    Ein tiefes Mitleid mit diesem fiebernden, von Schreckbildern verfolgten Gehirn, mit diesem Kranken, der sein verfehltes Leben vollends in den Beängstigungen des Verfolgungswahnes verwüstete, ergriff Pierre.
    »Aber Sie müssen fliehen! Bleiben Sie hier nicht, kommen Sie nach Frankreich, gehen Sie fort, wo immer hin!«
    Erstaunt sah ihn Don Vigilio an; er beruhigte sich einen Augenblick.
    »Fliehen? Wozu? Nach Frankreich? Dort sind sie auch. Wo immer hin? Dort sind sie auch. Sie sind überall; ich würde vergeblich fliehen – ich wäre trotzdem bei ihnen, unter ihnen ... Nein, nein, da ziehe ich vor, hier zu bleiben. Lieber sterbe ich hier sofort, wenn Seine Eminenz mich nicht mehr verteidigen kann.«
    Er richtete auf das große Porträt, auf dem der Kardinal in seiner roten Moiréesutane strahlte, einen Blick unendlichen Flehens, in dem noch ein Hoffnungsstrahl aufzuglänzen versuchte. Aber der Anfall kehrte wieder und schüttelte, überkam ihn mit verdoppelter Fieberwut.
    »Lassen Sie mich, lassen Sie mich, ich bitte Sie ... Zwingen Sie mich nicht mehr zum Reden. Ach, Paparelli, Paparelli! Wenn er wiederkäme, wenn er uns sähe, wenn er mich sprechen hörte ... Ich werde nie mehr reden. Ich werde mir die Zunge anbinden, ich werde sie mir abschneiden ... Lassen Sie mich doch! Ich sage Ihnen, Sie töten mich – er wird wiederkommen und das ist mein Tod! Gehen Sie, o bitte, gehen Sie!«
    Und Don Vigilio drehte sich zur Wand, als wollte er sich dort das Gesicht zerquetschen, den Mund mit Grabesstille vermauern, Pierre entschloß sich, ihn zu verlassen; denn er fürchtete, einen noch ernsteren Anfall hervorzurufen, wenn er darauf bestünde, ihm beizustehen.
    Als Pierre in den Thronsaal zurückkehrte, fand er sich wieder inmitten der furchtbaren, unheilbaren Trauer des Hauses. Eine neue Messe folgte den früheren; fortwährend wurden Messen gelesen, deren gestammelte Gebete endlos die göttliche Gnade anflehten, damit sie die beiden teuren, entflohenen Seelen mit Wohlwollen aufnehme. Und in dem ersterbenden Duft der welkenden Rosen, vor den zwei erblichenen Sternen der Kerzen dachte er an diesen letzten Zusammenbruch der Boccaneras. Dario war der letzte des Namens. Mit ihm verschwanden die so lebenskräftigen Boccaneras, deren Name die Geschichte erfüllt hatte. Man begriff die Liebe des Kardinals – dessen einzige Sünde der Stolz auf den Namen geblieben war – zu diesem zarten Knaben, den letzten des Geschlechtes, den einzigen Sproß, durch den der alte Stamm wieder grünen konnte; und wenn er, wenn Donna Serafina die Scheidung und dann die Heirat gewünscht hatten, so rührte das, mehr noch als aus dem Wunsche, dem Skandal ein Ende zu machen, von der Hoffnung her, aus den beiden schönen Kindern ein neues, starkes Geschlecht erstehen zu sehen; denn Vetter und Base blieben hartnäckig dabei, nicht zu heiraten, wenn man sie nicht einander gäbe. Jetzt lag dort auf dem Paradebette mit ihnen, in ihrer unfruchtbaren Todesumarmung, die letzte Hülle, der armselige Rest einer so langen, glänzenden Reihe von Fürsten, Prälaten und Feldherrn, die nun das Grab verschlingen würde. Es war aus; aus einem alten Mädchen, das nicht mehr Weib war, aus einem alten Priester, der aufgehört hatte, ein Mann zu sein, würde nichts mehr erstehen. Die beiden blieben einander gegenüber stehen, unfruchtbar, gleich wie zwei Eichen, die allein von dem einstigen, verschwundenen Walde übrig sind und nach ihrem Absterben bald eine vollständig flache Ebene hinterlassen werden. Welch ein ohnmächtiger Schmerz lag in diesem Ueberleben! Wie traurig, sich sagen zu müssen, daß man das Ende von allem ist, daß man das ganze Leben, die ganze Hoffnung des Morgen mit sich nimmt! Aus dem Gestammel der Messen, aus dem ermattenden Duft der Rosen, aus

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