Rom - Band III
Versöhnung zu schmeicheln, den verbrecherischsten Fehler, die Erschütterung der Idee der Autorität, der Ordnung, ja sogar der Religion... Sehen Sie nur, was er mit der weltlichen Herrschaft gemacht hat. Er fordert sie wohl noch, er stellt sich, als sei er bezüglich der Frage von der Rückgabe Roms intransigent. Aber hat er nicht in Wirklichkeit den Verlust bereits vollzogen, hat er nicht endgiltig darauf verzichtet, da er anerkennt, daß die Völker das Recht haben, über sich zu verfügen, daß sie ihre Könige verjagen und wie die Tiere frei in den Wäldern leben können?«
Er hielt plötzlich inne und erhob in einem Ausbruch heiligen Zornes beide Arme zum Himmel.
»Ach, dieser Mann, dieser Mann, der durch seine Eitelkeit, seine Sucht nach Erfolg der Ruin der Kirche gewesen sein wird! Dieser Mann, der nicht aufhörte, alles zu verderben, alles aufzulösen, alles zu zerbröckeln, um die Welt zu regieren, die er auf diese Weise wieder zu erobern meint! Warum, allmächtiger Gott, warum hast du ihn noch nicht zu dir zurückgerufen?«
Und dieser Anruf des Todes hatte einen so aufrichtigen Klang, der Haß, der in ihm lag, ward durch das Verlangen, Gott, der hienieden in Gefahr war, zu retten, so vergrößert, daß auch Pierre von einem heftigen Schauer überlaufen ward. Jetzt begriff er diesen Kardinal Boccanera, der Leo XIII. fromm, leidenschaftlich haßte; er begriff, daß er aus der Tiefe seines dunklen Palastes, seit Jahren schon, auf den Tod des Papstes lauerte – diesen Tod, den er in seiner Eigenschaft als Kardinalkämmerer offiziell festzustellen hatte. Wie mußte er darauf warten, wie wünschte er mit fieberhafter Ungeduld die selige Stunde herbei, da er, mit dem silbernen Hämmerchen bewaffnet, die drei symbolischen Schlage auf den Schädel des eisig, starr, auf seinem Bette ausgestreckten, von seinem päpstlichen Hof umgebenen Leos XIII. thun würde! Ach, könnte er doch endlich an diese Gehirnwand klopfen, um ganz sicher zu sein, daß keine Antwort mehr kam, daß nichts mehr da drin war, nichts als Nacht und Schweigen. Und der Ruf »Joachim, Joachim, Joachim!« würde dreimal ertönen; und da der Leichnam nichts antwortete, würde der Kardinalkämmerer sich umdrehen, nachdem er sich einige Sekunden geduldet hätte, und würde dann sagen: »Der Papst ist tot!«
»Trotzdem ist die Versöhnung eine Waffe der Epoche,« fuhr Pierre fort, der ihn auf die Gegenwart zurückführen wollte. »Nur um sicher zu siegen, willigt der heilige Vater ein, in Formfragen nachzugeben.«
»Er wird nicht siegen, er wird besiegt werden!« rief Boccanera. »Nie noch hat die Kirche den Sieg davongetragen, wenn sie nicht auf ihrer Integrität, auf der unwandelbaren Ewigkeit ihres göttlichen Wesens beharrte. Und es steht fest, an dem Tage, an dem sie an einem einzigen Stein ihres Gebäudes rühren lassen wird, wird sie zusammenbrechen... Erinnern Sie sich an den schrecklichen Augenblick, den sie zur Zeit des Konzils von Trient durchlebte. Die Reformation hatte sie eben tief erschüttert, die Zügellosigkeit der Disziplin und der Sitten wurde überall ärger; es war eine steigende Flut von Neuerungen, von Gedanken, die der Geist des Bösen eingehaucht, von ungesunden Plänen, die die Hoffart des in voller Freiheit losgelassenen Menschen erzeugte. Und selbst viele Mitglieder des Konzils waren beunruhigt, angefressen, bereit, für die wahnsinnigsten Modifikationen zu stimmen – es war ein wahres Schisma, das sich den anderen anschloß. Nun denn, wenn der Katholizismus zu jener kritischen Zeit, angesichts einer so großen, drohenden Gefahr vom Unheil errettet wurde, so kam das nur daher, weil die von Gott erleuchtete Mehrheit das alte Gebäude unversehrt erhalten hat, weil sie den göttlichen Starrsinn besaß, sich in das starre Dogma einzuschließen, weil sie in nichts nachgab, in nichts, in nichts – weder in der Sache selbst noch in der Form ... Heutzutage ist die Lage gewiß nicht schlimmer als zur Zeit des Konzils von Trient. Nehmen wir aber an, daß sie gerade so schlimm sei, und sagen Sie mir, ob es nicht edler, mutiger und für die Kirche sicherer ist, wenn man, wie einst, die Tapferkeit besitzt, laut zu sagen, was sie ist, was sie war, was sie sein wird. Für sie gibt es kein Heil als in ihrer vollständigen, unbestreitbaren Souveränität, und da sie stets durch ihre Intransigenz gesiegt hat, heißt es sie töten, wenn man sie mit dem Jahrhundert versöhnen will.«
Er ging wieder mit seinen mächtigen, nachdenklichen
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