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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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der Blässe der zwei Kerzen fühlte Pierre jetzt den Zusammenbruch dieser Trauer, die Schwere, des Steines heraus, der für immer hinter einer erloschenen Familie, hinter einer verschwundenen Welt zufallen würde.
    Er begriff, daß er als Hausgenosse Donna Serafina und den Kardinal aufsuchen müsse, und ließ sich sofort in das Nebenzimmer führen, in dem die Prinzessin empfing. Sie saß, in Schwarz gekleidet, sehr dünn, sehr gerade auf einem Lehnstuhl, von dem sie sich langsam und würdevoll einen Augenblick erhob, um den Gruß jedes Eintretenden zu erwidern. Mit starrer Miene, den körperlichen Schmerz besiegend, hörte sie die Beileidsbezeugungen an und antwortete keine Silbe. Aber Pierre, der sie näher kennen gelernt hatte, erriet aus den eingefallenen Zügen, dem leeren Blick, dem bitter verzogenen Munde das Schreckliche, was in ihrem Innern vorging, alles was in ihr zusammengebrochen war, ohne daß eine Hoffnung auf Wiederherstellung möglich war. Nicht nur das Geschlecht war zu Ende, auch ihr Bruder würde niemals Papst werden, trotzdem sie so lange Zeit geglaubt hatte, daß die Ergebenheit, die Entsagung einer Frau, die diesem Traume ihr Gehirn und ihr Herz, ihre Sorgen, ihr Vermögen, ihr verfehltes Gattin- und Mutterleben geopfert, ihn dazu machen würde. Vielleicht blutete inmitten so vieler Ruinen am meisten die Wunde dieses enttäuschten Ehrgeizes. Als der junge Priester, ihr Gast, eintrat, stand sie auf, so wie sie sich bei allen anderen erhoben hatte; aber es gelang ihr, in die Art ihres Aufstehens eine gewisse Abschattirung zu legen, und er fühlte sehr wohl, daß er in ihren Augen noch immer der kleine französische Priester, der unterste Diener im Hausstande Gottes war, da er es nicht einmal verstanden, sich zum Range eines Prälaten zu erheben. Als sie sich, nachdem sie seine tiefe Verbeugung mit einem leichten Neigen des Kopfes entgegengenommen, wieder niedergelassen hatte, blieb er noch einen Augenblick aus Höflichkeit stehen. Kein Geräusch, kein Wort störte den düstern Frieden des Gemaches. Dennoch waren vier bis fünf Damen, Besucherinnen, anwesend; sie saßen ebenfalls in verzweifelter, stummer Unbeweglichkeit da. Was ihm aber am meisten auffiel, war die schwächliche Gestalt des Kardinals Sarno, eines der alten Freunde des Hauses, der mit seiner linken, höheren Schulter, zusammengebeugt, fast liegend, mit geschlossenen Lidern in einem Fauteuil lehnte. Er hatte, nachdem er sein Beileid ausgesprochen, noch etwas länger verweilt und war dann, von der schweren Stille, der erstickend warmen Luft überkommen, eingeschlafen. Alles respektirte seinen Schlummer. Träumte er in diesem Schlummer von der Karte der gesamten Christenheit, die er hinter seinem niedrigen, stumpfgeformten Schädel liegen hatte? Setzte er im Traum, hinter der fahlen Maske des von einem halben Jahrhundert beschränkten Beamtenlebens abgestumpften, alten Bureaukraten die furchtbare Erobererarbeit fort, die Erde aus der Tiefe seines düsteren Zimmers im Palaste der Propaganda zu unterwerfen und zu regieren? Die Damen richteten gerührte und ehrerbietige Blicke auf ihn; man schalt ihn manchmal sanft, daß er zu viel arbeite, und sah in dieser Schlafsucht, die ihn seit einiger Zeit überall ergriff, das Uebermaß seines Genies und seines Eifers. Pierre aber sollte von dieser allmächtigen Eminenz nur dieses letzte Bild mit sich nahmen: ein erschöpfter Greis, nach der Erregung eines Trauerfalles ausruhend, schlafend wie ein altes, reines Kind, ohne daß man wissen konnte, ob dies beginnender Blödsinn sei oder die Ermüdung nach einer im Dienste Gottes zugebrachten Nacht, um Gott über irgend einen fernen Kontinent herrschen zu lassen.
    Zwei Damen entfernten sich, drei andere erschienen, Donna Serafina hatte sich von ihrem Sitze erhoben, gegrüßt und saß nun wieder in ihrer starren Haltung, mit gerade aufgerichteter Büste und harter, verzweifelter Miene da. Der Kardinal Sarno schlief noch immer. Nun meinte Pierre zu ersticken; eine Art Schwindel ergriff ihn, sein Herz schlug heftig. Er verbeugte sich und ging hinaus. Dann, als er durch den Speisesaal schritt, um sich in das kleine Arbeitszimmer zu begeben, in dem der Kardinal Boccanera empfing, sah er sich dem Abbé Paparelli gegenüber, der die Thür eifersüchtig hütete.
    Als der Schleppträger ihn witterte, schien er zu begreifen, daß er ihm den Eintritt nicht verwehren könne. Uebrigens stand ja nichts von ihm zu befürchten, da der Eindringling am nächsten Tage,

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