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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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hatte, sondern das, was er in dieser Mischung von philosophischem Geplauder und gezielter Provokation zu verbergen trachtete. Ich war mir jedenfalls ziemlich sicher, dass er mehr mit Dale zu tun gehabt hatte als nur jene Vorbesprechung.

9. Apero

    Der Apero fand wie angekündigt am zweiten Weihnachtsfeiertag statt. Franz und Franziska Gala waren in ihrem Element. Jeder Gast erhielt schon in der Garderobe, nachdem er seinen Mantel abgelegt hatte, ein Glas Prosecco in die Hand gedrückt. Dann ging man in den größten Raum, in dem eine Reihe Stühle die Wände entlang vor den Büchern aufgereiht war. Franziska wies huldvoll lächelnd die Plätze an, wobei sie sich wohl von ihrer dezidierten Einschätzung der Kommunikationseigenschaften der jeweiligen Gäste leiten ließ. Mich platzierte sie zwischen einen großen Mann, dessen gewaltiger Bauch und Brustkorb seiner voll tönenden Bassstimme die Resonanz verliehen, und einer grazilen jungen Dame, die wirkte, als sei sie aus Meißener Porzellan. Sie war sehr hübsch. Ein zarter Anflug von Damenbart steigerte noch das Ebenmaß ihrer korallenfarbenen Lippen. Der Mann war jener Bernhard, den Gala erwähnt hatte, Opernsänger und zugleich Apotheker und als solcher, wie sich bald herausstelle, Spezialist für Gifte und Drogen. Die Dame hieß Julia. Sie war Bibliothekarin, eine Mitarbeiterin der Galas. Weitere Gäste waren eine professionelle Klarinettistin namens Melanie, eine Modistin namens Paula. Und natürlich war auch Marcello Tusa erschienen. Weiterhin eine stattliche Dame, in der ich eine wohlhabende Hausfrau vermutete. Sie war jedoch Staatsanwältin und hatte viel mit Leichenschauen zu tun. Während kleine Snacks gereicht wurden und Franz Gala immer wieder die Weingläser nachfüllte, entwickelte sich das Gespräch in einer mich faszinierenden Weise wie ein Billardspiel von Bande zu Bande in sich kreuzenden Linien. Nur Julia blieb stumm. Ich spürte, wie ich väterliche Gefühle für sie zu entwickeln begann. Ich reichte ihr einen Teller mit Käseschnittchen, von denen sie eines nahm, das sie sittsam zu verspeisen begann, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Alle schienen sich gut zu kennen, aber niemand ließ mich meine Sonderrolle spüren.
    Der Opernsänger erkundigte sich freundlich nach meinem Beruf, und daraus entwickelte sich ein unterhaltsames Gespräch über Berner Kriminalfälle der letzten Zeit. Vor allem die Staatsanwältin sorgte für amüsante und auch spannende Beiträge. Es ging unter anderem um den nackten Mann auf dem Auto. Taucher hatten inzwischen die sagenhaften Strudellöcher im Flussbett abgesucht, ohne einen Leichnam zu finden. Aber andere Corpus Delicti seien bei dieser Gelegenheit entdeckt worden. Zum Beispiel ein vom eisigen Wasser recht gut konservierter Schädel, an den noch teilweise vorhandenen blonden Haarsträhnen als der einer Frau identifizierbar. Der Opernsänger behauptete, dass man Schädel auch an Merkmalen der Knochenbildung geschlechtsspezifisch identifizieren könne. Die mit witzigen Einwürfen garnierte Debatte wandte sich von dieser Bemerkung aus mehr und mehr den unterschiedlichen Eigenschaften von Männern und Frauen zu. Franziska Gala behauptete, dass es eindeutige Charakteristika für weibliche beziehungsweise männliche Literatur gebe. »Frauen schreiben anders«, sagte sie. »Weil sie nicht wie Männer immer schon den nächsten Satz im Kopf haben. Sie geben sich der jeweiligen Formulierung auf eine Weise hin, wie es kaum ein Mann vermag, mit Ausnahme Theodor Fontanes. Männer denken voraus, sie schreiben deshalb voran, Frauen denken hinein, sie schreiben deshalb tiefer, ohne männlichen Tiefsinn dabei zu entwickeln.«
    Franz Gala machte einige satirische Bemerkungen über männlichen Tiefsinn. »Wir Männer drücken uns gerne so aus, dass man mehr hinter unseren Worten vermutet, als es eigentlich gerechtfertigt ist. Wir reden immer perspektivisch. Das heißt, die Oberfläche ist so gegliedert, dass sie Tiefe simuliert.«
    Der Opernsänger wiederum kommentierte in seinem dröhnenden Bass die These der Wissenschaft, dass die Gehirngröße nichts mit dem Ausmaß der Intelligenz zu tun habe. »Das liegt daran«, fuhr er fort, »dass nur ein Bruchteil der Synapsen des Gehirns überhaupt für die Funktionen des Denkens und für die Steuerung der Organe benutzt werden. Das meiste liegt brach. Man kann das Gehirn mit einer Stadt vergleichen, von der nur ein paar Häuser bewohnt sind. Die meisten stehen leer. Das ist übrigens

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