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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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dass auch jener aus Falsinis Destille stammte. Falsini erhob sich. »Ich werde Ihnen vielleicht später noch meinen Keller zeigen«, sagte er. »Wenn Sie Lust dazu haben.« Er ging hinaus und mischte sich unter die Gäste. Ich sah ihm nach. War er ein Schwätzer, ein nachdenklicher Mensch, ein Psychopath, ein Krimineller? Oder hatte er von allem etwas? Es war schwer zu entscheiden. Ich konnte mir einfach keinen Reim auf ihn machen. Er wirkte traurig, auch wenn er wie jetzt sich gestikulierend und lächelnd unter eine Gruppe junger Mädchen mischte.
    Ich hatte schon etliche Partys erlebt. Aber diese hier war anders. Inwiefern? War sie weniger lustig? Auf keinen Fall! Gelächter überall. War sie ausschweifender? Ich beobachtete die Paare. Nein, ganz im Gegenteil. Irgendwann im Verlauf der Nacht kam ich darauf. Dieses Fest hier war völlig ohne jenes laszive Moment, das sich unter dem Einfluss von Alkohol immer dann breit macht, wenn Männer und Frauen beisammen sind. Gewiss, es wurde geflirtet, aber mehr auch nicht. Keine Anmache. Der Boutiquebesitzer saß neben Bill Flanagans Frau, hatte den Arm um sie gelegt und unterhielt sich mit ihr, wie ich feststellte, als ich mich eine Weile dicht hinter ihnen befand, über italienische Verkehrspolitik, die offenbar, wie ich ihrem Dialog entnahm, darin bestand, dass man so wenig Geld in den Straßenbau investierte, dass sich dadurch die Anzahl der Verkehrstoten staubedingt in Grenzen hielt. »Wir haben hier in Italien eine Prohibition der Fortbewegung«, klagte der Boutiquebesitzer. »Wahrscheinlich ist dies eine spezifische Form des Nationalismus. Die Leute sollen nach Möglichkeit das Land nicht verlassen.« Dann erhob er sich und ging in die Dunkelheit. Alice Flanagan folgte ihm. Der Sänger hatte inzwischen das Repertoire gewechselt. Volkstümliche Schlager aus Neapel waren es jetzt, die etliche mitsingen konnten. Die Stimmung stieg weiter. Leute umarmten sich. Ein anderer kam mit einer Westerngitarre hinzu. Jemand spielte die kleine afrikanische Trommel. In den Pausen zwischen den Stücken sangen die Zikaden.
    Bill Flanagan kam mit zwei Gläsern Rotwein auf mich zu. In seiner Glatze spiegelte sich der Sternenhimmel, wie ich mir einbildete, und in seinen Augen das Lagerfeuer. »Hier, das ist aus Falsinis Giftschrank. Er hat mir seinen Keller gezeigt. Fantastisch. Da steckt ein Vermögen drin. Er hat ideale Lagerbedingungen. Kühl, feucht.«
    Irgendwann fiel mir auf, dass Einar verschwunden war. Ich hatte ihn zuletzt zusammen mit einem der jungen Mädchen gesehen. Ich hatte den Eindruck, dass er ihm den Hof machte. Von Einar ging noch am ehesten das typische Männergehabe aus. Er spreizte die Pfauenfedern und ließ das Mädchen spüren, dass er es erotisch fand. Allein, wie er ihm nachgeschenkt hatte – er hatte eine fast volle Flasche Rotwein in der Hand gehabt –, weckte er sexuelle Assoziationen. Doch jetzt sah ich ihn nicht mehr.
    Falsini kam auf mich zu. »Bill sagte mir, dass sie meine Sammlung sehen wollen?« Ich muss ihn fragend angesehen haben, denn er ergänzte: »Ich meine den Weinkeller. Die Destille. Meine flüssige Bibliothek.«
    Er ging voran. Eine schmale Kellertreppe führte tief in den Untergrund hinab. Falsini schloss eine schwere, eisenbeschlagene Tür auf. Ein großes Gewölbe öffnete sich. Es war schwach beleuchtet. Die Wände aus rohem Fels. An den Wänd entlang Regale voller Flaschen. Es mochten tausend sein oder mehr. »Wir sind hier acht Meter unter der Erde. Die Katakomben stammen aus der Antike. Deutsche Soldaten haben sie im Zweiten Weltkrieg militärisch genutzt. Als ich mein Haus baute, habe ich diese Stelle gewählt, weil ich sofort wusste, dass ich hier den idealen Weinkeller gefunden hatte. Sehen Sie, acht Grad und neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit, und das konstant das ganze Jahr hindurch.« Er wies auf zwei Instrumente, Thermometer und Hygrometer. Dann glitt seine Hand suchend über eine Flaschenreihe. Schließlich holte er eine übergroße Flasche hervor, säuberte behutsam das Etikett, hielt es unter eine der Wandlampen und nickte. »Ein wunderbarer Jahrgang. Ein Weinberg, der nur wenig abwirft, aber das wenige ist außerordentlich. Es ist ein Sassica aus dem Jahre 1985 in der Magnumflasche. Eine Legende. Solch ein Wein gleicht einem Lebewesen. Man muss ihn sanft behandeln.« Falsini hielt die Flasche in der Tat so liebevoll wie ein Baby, entkorkte sie vorsichtig, roch am Korken, bat mich, zwei Gläser aus einem Regal zu nehmen und

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