Roman
Presse führen wollen.«
»Ich verstehe nicht, warum wir den Verkauf nicht einfach per Telefon oder Mail abblasen können.«
»Weil Skywave erstens misstrauisch und zweitens aggressiver in der Verfolgung ihres Ziels werden könnten, deswegen. Die Skywave-Leute werden denken, wir wären auf mehr Geld aus. Bis Elizabeth ihnen ins Gesicht sieht und sagt, dass sie absolut nicht gewillt ist zu verkaufen, werden sie nicht aufhören. Sie hören nicht auf, bis sie bekommen, was sie wollen.«
David lässt die Schultern hängen, als er begreift, dass ich Recht habe.
Er seufzt und geht in Richtung Tür. »Ich suche noch einmal im Internet und gehe alle meine alten Dateien durch. Ich will noch mal überprüfen, ob nicht doch irgendwo ein Foto von ihr existiert.« Auf dem Weg nach draußen streicht er mit der Hand an der Wand entlang, als ob sie etwas von Elizabeths Wesen berge.
Ich lehne mich in dem hohen Ledersessel zurück und fühle mich wie eine Königin auf ihrem Thron. Das glatte Leder erinnert mich an Elizabeths Mercedes.
Ich fische die Autoschlüssel von der Schreibtischplatte. Das Auto wird sich einsam ohne seine Fahrerin fühlen.
Shane singt R.E.M.s (Don’t Go Back to) Rockville , während ich Elizabeths Mercedes ins Zentrum der weitläufigen Vorstadt lenke. David sitzt auf dem Beifahrersitz, Travis hinter ihm.
»Glauben Sie, Gideon trinkt von den Kindern, die auf der Ranch leben?«, fragt David mich.
Ich zögere. »Beweise habe ich dafür nicht. Aber sie haben mich dort auch nur sehen lassen, was ich sehen sollte. Wer immer mit mir geredet hat, war ein offiziell ausgewähltes Musterbeispiel für die Bewohner von Gideons Refugium. Sie haben immer nur gelächelt und den Anschein vermittelt, alles sei strengen Regeln unterworfen. Es war, als wäre ich in Disney World – alles sauber, alles niedlich.« Da blitzt plötzlich eine Erinnerung auf. »Bis auf diesen einen Typen – den sollte ich offenkundig wohl nicht zu Gesicht bekommen.«
»Wen?«
»Es war ein Mensch. Weißhaarig, männlich. Aber er war zu weit weg. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Sie haben behauptet, er sei ein Geist.«
»Ein Geist? Hmm. Vielleicht der Geist von jemandem, den Gideon getötet hat.«
»Jetzt klingen Sie wie Lori.«
»Sie glauben an Vampire, aber nicht an Geister?«
»Vampire habe ich schon mit eigenen Augen gesehen.« Mein und Shanes Blick treffen sich im Rückspiegel. In Gedanken setze ich, und zwar splitternackt, hinzu. »Jetzt, wo wir wissen, dass Gideon die kalte Präsenz war, die ich auf dem Parkplatz gespürt habe, bin ich noch weniger gewillt, an Geister zu glauben, als sowieso schon.«
David schweigt nachdenklich. Schließlich sagt er: »Etwas daran stört mich. Warum sollte Gideon Ihnen an Ihrem ersten Abend im Sender auflauern? Da hatten wir die Werbekampagne doch noch gar nicht begonnen.«
»Noah hat diese Frage auch schon gestellt. Vielleicht war da noch ein anderer alteingesessener Vampir, der mir aufgelauert hat.«
Shane hört auf zu singen. »Der sollte bloß nicht versuchen, dich anzufassen. Dem trete ich so was von in seinen uralten Arsch.« Er kehrt zur dritten Strophe zurück.
Ich beobachte ihn im Rückspiegel. Mit gedämpfter Stimme sage ich zu David: »Etwas war seltsam an Gideon und den Vampiren in seiner Umgebung. Sie scheinen keine Zwangsneurosen zu haben wie unsere.«
»Ihre Umgebung ist dermaßen reglementiert, dass sie solche Bewältigungsmechanismen wahrscheinlich nicht brauchen.«
»Sie waren alles andere als normal. Sie waren nur noch so etwas wie Schatten ihrer selbst und dabei irgendwie roboterhaft. Aber sie waren nicht, nun ja …«
»Bekloppt«, wirft Shane ein. Er leitet über zu Van Morrisons Crazy Love .
Ich halte vor dem todschicken Apartmentkomplex, in dem Elizabeths Wohnung liegt. David nimmt ein paar leere Sporttaschen aus dem Kofferraum. Wir gehen zum Eingang; Shane bleibt dabei immer zwischen den Menschen und dem nervös zitternden Travis. Dieser beobachtet uns wie ein Mensch auf Atkins-Diät einen Stapel Pancakes. Doch ohne die Kraft, die Verzweiflung und unbezähmbarer Hunger ihm gaben, ist er kein Gegner für Shane. Ich fühle mich deshalb sicher – wenn auch nicht gerade glücklich.
Elizabeths Eigentumswohnung im Souterrain sieht aus wie jede andere Wohnung eines aufstrebenden Spekulanten des Turbokapitalismus: Ledersitzgruppe, die Elektrogeräte in der Küche alle mit Edelstahlfronten und ein Hartholzboden, der nach einem Spiel Socken-Hockey schreit.
»Wow«,
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