Roman
auf, und ein großer, muskulöser Typ mit Glatze und in schwarzer Uniform steht auf der Schwelle. Er wirkt nicht überrascht, mich hier vorzufinden. »’n Abend, Ma’am«, sagt er, dreht sich um und nickt jemandem hinter sich im Hausflur zu.
Durch die Tür tritt jetzt ein weißhaariger Mann – der Weißhaarige aus Gideons Refugium. Er schenkt mir ein breites Lächeln.
»Da bist du ja, Darling.«
Mir wird nahezu schwarz vor Augen, und ich spüre, wie meine Gesichtszüge völlig entgleisen. Meiner Kehle, eng wie eine Faust, entringt sich ein einziges Wort.
»Daddy?«
26
Crucify
Der weißhaarige Mann streckt mir die Hände entgegen. »Ja, lass dich anschauen – was siehst du erwachsen aus! Und dann auch noch in einem Kostüm.«
Alles, was mir zu tun einfällt, ist, die Griffe von Davids schwerer Sporttasche zu umklammern. Mein Instinkt rät mir, möglichst den Tisch zwischen mir und diesem … diesem Hochstapler zu lassen.
Als ob er meine Gedanken lesen könnte, sagt er: »Ich bin’s wirklich. Dein verlorener Vater.«
Ich weiche zurück, umklammere dabei aber immer noch die Tasche. Als sie durch meine Bewegung vom Tisch rutscht, reißt mir das Gewicht die Griffe aus der Hand. Die Tasche knallt auf den Boden, Holz schlägt aneinander, Metall klirrt.
Ich reibe mir den gezerrten Muskel meines Unterarms. »Dad, was machst du hier?«
»Das ist eine lange Geschichte. Werde ich zur Begrüßung denn nicht umarmt?«
David und Shane stehen plötzlich neben mir, der eine rechts, der andere links von mir.
»Major Lanham?«, sagt David zu dem ersten Mann, zu dem, der nicht mein gottverdammter Vater ist.
»Jetzt: Lieutenant Colonel«, erwidert der Mann und deutet auf die silbernen Abzeichen auf seiner Schulter. »Schön Sie zu sehen, Fetter.«
Ich drehe mich zu David um. »Sie haben das gewusst?«
»Nein.« Abwehrend hebt David die Hände. »Okay. Man hat mir gesagt, ich solle Sie einstellen, um jemandem bei der Liga einen Gefallen zu tun. Ich wusste aber nicht wem und warum.«
»Ciara.«
Als ich die Stimme meines Vaters höre, drehe ich mich zu ihm um.
»Ist das alles, was du nach acht Jahren zu sagen hast?« Er breitet die Arme aus. »Ich habe dich vermisst, mein Engel.«
Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich möchte nicht zu ihm. Aber ich kann nicht anders. Sein einst rotblondes Haar ist jetzt weiß, was mich schockiert. Aber das Funkeln in seinen großen blauen Augen ist immer noch da: dieses Funkeln, mit dem er mir eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen oder meine Mutter über die Menge im Erweckungszelt hinweg angesehen hat.
Wir treffen uns in der Mitte; er nimmt mich in die Arme. Seine gemütliche Leibesfülle ist Vergangenheit, stattdessen kann ich sein Schlüsselbein und seine Schulterblätter unter dem weichen Baumwollhemd spüren.
Ich schluchze los. Nichts zählt in diesem Moment, keine Vorwürfe, keine Fragen. Es fühlt sich sogar so an, als würden sie nie wieder eine Rolle spielen.
Mein Vater tätschelt mir beruhigend den Rücken. »Ist ja schon gut«, sagt er, »ich bin jetzt da. Niemand wird mich dieses Mal fortschicken.«
Ich hänge an seinem Hals, nachdem er mich längst losgelassen hat; ein eindeutiges Signal dafür, dass jetzt Schluss mit der Umarmung ist. Schließlich drückt er mich ein Stück von sich weg und wischt mir mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. »Wein nicht mehr, meine Kleine. Alles wird gut.«
»Aber … aber warum?«
Colonel Lanham macht eine auffordernde Handbewegung in Richtung Wohnzimmer. »Vielleicht sollten wir alle uns setzen.«
Auf Beinen wie Gummi gehe ich auf die Mitte des Sofas zu. Kaum dass ich sitze, lässt sich mein Vater neben mir nieder. Zu meiner Erleichterung nimmt Shane den Platz an meiner anderen Seite ein. Über mich hinweg streckt er meinem Vater die Hand hin.
»Shane McAllister.« Sein Ton ist freundlich, aber kühl.
»Ronan O’Riley.« Dad schüttelt Shane die Hand und lächelt ihn an. »Sie sind ein Vampir, nicht wahr? Ich habe noch nicht viele gesehen, die so jung sind wie Sie. Sie halten sich gut.«
Shane nickt ihm bestätigend zu. Dann legt er die Hand neben mich aufs Polster des Sofas, und ich lege meine auf seine Hand. Nur, damit die Dinge von Anfang an klar sind.
Shanes Haut zu berühren lässt mich mein inneres Gleichgewicht zurückgewinnen. Ich rücke etwas von meinem Vater ab, dem Anschein nach, um ihn besser anschauen zu können. »Bitte erzähl alles von Anfang an.«
Mein Vater öffnet schon den Mund, aber Colonel
Weitere Kostenlose Bücher