Roman
eine Freundin.«
»Ist sie hier?«
Die Vorstellung, wie Regina hier im hoffnungslos bürgerlichen Smoking Pig abhängt, lässt mich grinsen. »Das bezweifle ich.«
»Also nicht da, ganz genau wie mein Verlobter! Wie absoluuut passend!«
Die Braut stößt ein wieherndes Gelächter aus und zieht mich hinter sich her ans andere Ende der Theke. Ihr Verlobungsring, um genau zu sein, der Ewigkeit symbolisierende Diamant im Tropfen-Schliff, schneidet tief in die zarte Haut zwischen meinen Fingern ein. Jolene hat mehr Kraft, als der erste Blick verrät – dabei lässt schon der erste Blick vermuten, dass sie in der Lage ist, einen Buick zu stemmen.
Kurz bevor wir Shane erreichen, grüßt sie ihre Brautjungfern über die Theke hinweg mit einem allseits bekannten Handzeichen: Zeigefinger und kleiner Finger aus der Faust hochgestreckt. Die Mädels brechen daraufhin gemeinschaftlich in ein Gegröle aus, das jedem Strip-Lokal alle Ehre gemacht hätte.
»Hey, hallo!«, sagt Jolene schließlich zu Shanes linker Schulter. Die Schulter verspannt sich beim Klang ihrer Stimme, aber ansonsten zuckt Shane nicht einmal mit der Wimper. Jolene fächert sich daraufhin mit der Serviette, die neben seinem Drink liegt, Luft zu. »Hach! Ist richtig heiß hier drinnen – oder bist du das etwa?«
Immer noch keine Reaktion. Sie streckt die Hand aus, um ihn an der Schulter zu berühren. Aber ein paar Zentimeter davor zuckt die Hand zurück, als ob sie den direkten Befehl von Jolenes Hirn lieber verweigere. Kluge Hand.
Endlich gibt Jolene auf und dreht sich zu mir um. Sie zeigt mir einen Schmollmund.
Ich schaue sie finster an. »Lass ihn einfach in Ruhe!«
Beim Klang meiner Stimme dreht Shane mir das Gesicht zu; mit einem Mal wirken Kopf und Hals so gelenkig, als gehörten sie einer Gottesanbeterin auf der Jagd. So, wie Shanes Hände die Bierflasche umfassen und seine Ellbogen auf das Messinggeländer der Theke gestützt sind, ist die Ähnlichkeit mit dem Insekt geradezu unheimlich. Ich mache einen Schritt zurück.
Eine Sekunde nachdem seine Augen in meine blicken, werden sie sanft, verlieren diesen Lass-mich-verflucht-noch-mal-zufrieden!-Ausdruck. »Ciara.«
»Wow, ihr kennt euch ja wirklich.« Der Braut-osaurus glättet den Schleier. Ich frage mich, wozu Jolene ihren Ring versteckt hat, wenn sie immer noch das Ding da auf dem Kopf trägt. »Ich bin Jolene. Und du?«
Shane mustert mich kurz von oben bis unten, dann verändert er seine Sitzposition auf dem Hocker so, dass er uns anschauen kann. Das heißt, mich anschauen kann. Jolene hat er bisher keines Blickes gewürdigt.
Ich werfe ihm ein entschuldigendes Lächeln zu. »Tut mir Leid, dich zu belästigen, Shane.«
»Shane!« Jolene versucht, ihren beachtlichen Hintern auf seinem Schoß zu parken. »Richtig schöner Name. Hast du Lust zu feiern, Shane?«
Shane blickt in das Dekolleté, das sie ihm darbietet. Er zieht die Augenbrauen zusammen; sein Blick bleibt für einen Moment an Jolenes Vorzügen hängen. Ich für meinen Teil habe plötzlich das Verlangen, Jolene ihren Schleier um den Hals zu legen und ihn festzuziehen, bis sie das Bewusstsein verliert.
»Wir haben eine Limousine und außerdem ein Hotelzimmer in der Stadt«, sagt Jolene – natürlich nicht zu mir. »Da ist jede Menge Platz.«
Zu meiner Bestürzung steht Shane auf. Er schiebt sich enger an Jolene heran, was ihr die Gelegenheit gibt, sich an seine Brust zu drücken. Ich wünschte, Regina käme herein und würde dieser Tussi das Maul mit den eigenen Zähnen stopfen.
Shane formt mit den Lippen lautlos das Wort Hilfe über Jolenes Kopf hinweg.
»Komm und tanz mit uns!« Jolene schmiegt sich an Shanes Hüften, ein wenig wacklig auf den Beinen. »Meine Freundinnen finden dich bestimmt endgeil, glaub mir. Ich verspreche, wir machen auch nicht zu viele Fotos!« Diese letzte Bemerkung findet sie saukomisch.
Voller Bedauern nehme ich einen letzten Schluck von meinem Martini und warte, bis der nächste Typ hinter mir vorbeigeht. Als es so weit ist, trete ich dem Auserwählten mit aller Kraft auf den Fuß. Er heult auf und gibt mir einen Stoß vorwärts, und mein Drink ergießt sich in all seiner schokoladigen Herrlichkeit über Jolenes blendend weißes Tank-Top.
Sie kreischt auf. »Du verdammte Zicke! Das hat meine Trauzeugin eigenhändig gestaltet!«
»Entschuldige bitte.« Ich wische an ihrem Top herum und sorge so dafür, dass die Flüssigkeit besser ins Gewebe eindringt. »Geh schon mal vor zur Toilette, ich
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