Roman
partybedingt nur wenige Speisen anbietet. Bisher hat er uns ignoriert, während er scharf gewürzte Chicken-Wings anbrät – die heute Abend selbstredend ›Bat-Wings‹ heißen. Er nickt rhythmisch zur Musik aus dem Küchenradio.
Shane dreht sich um und durchquert die Küche in Richtung Stuarts Bürotür.
Wieder folge ich ihm, obwohl ich eigentlich längst wieder arbeiten sollte. Aber wenn es mir gelänge, Shane davon zu überzeugen, heute Abend Musik aufzulegen, wäre das ein weitaus größerer Erfolg als ein paar verkaufte Auto-Aufkleber.
Kaum habe ich die Schwelle zum Büro übertreten, fährt Shane mich auch schon an. »Weißt du eigentlich, wie viele Tabus du allein mit der Bitte gebrochen hast, wir sollten doch erzählen, wie wir zu Vampiren geworden sind?«
»Was ist denn schon dabei?«
Er stöhnt auf und reibt sich die Stirn, die momentan tiefe Denkfalten aufweist. »Diese Geschichte, Ciara, gehört zu dem wenigen, was wirklich und wahrhaft nur uns etwas angeht. Ein Vampir teilt dieses Wissen nur mit jemandem, dem er vollkommen vertraut. Sich darüber in aller Öffentlichkeit auszubreiten wertet alles ab, was uns ausmacht.«
»Aber Spencer hat doch gar nichts von sich erzählt, und wahrscheinlich werden es auch die anderen nicht tun.«
»Darum geht’s nicht!« Mit ein paar wenigen, raschen Schritten ist Shane an mir vorbei und schließt die Tür zum Büro. »Die Bitte allein war eine Beleidigung, kapier das doch!«
»Es tut mir leid.« Ich merke, wie ich rot anlaufe, was mich voll nervt. »Ich habe das nicht gewusst.«
»Und genau das ist das Problem! Du hast uns kennengelernt – wann? Vor drei Wochen? Und schon glaubst du, du würdest uns verstehen, und gehst sogar so weit, unsere Geheimnisse überall auszubreiten!«
»Es ist kein Geheimnis, wenn sowieso niemand daran glaubt! Dann sind’s bloß Märchen, mehr nicht!«
»Das spielt keine Rolle!« Shane macht ein, zwei Schritte auf mich zu und schlägt dabei die Schnur eines an der Decke schwebenden schwarzen Ballons zur Seite. Aber dann, als sei er vor eine Wand gelaufen, bleibt er stehen. »Was ist denn das für ein Geruch?« Er rümpft die Nase, während er die Luft tief einsaugt. »Bist du in ein Fass mit Chemikalien gefallen?«
Ich halte mir eine meiner Haarsträhnen an die Nase. »Ich hab mir die Strähnchen aufgefrischt. Wie es sich gehört für eine wie mich: immer auf oberflächlichen Betrug aus.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Das musst du auch gar nicht. Schau, ich weiß sehr wohl, dass ich noch jede Menge über euch Vampire zu lernen habe. Aber während ich noch versuche, meine Festplatte, was dieses Thema angeht, mit dem entsprechenden Update zu versorgen, ist Skywave schon dabei, euch aus dem Geschäft zu drängen. Du, Shane, wirst ja vielleicht noch einen anderen Job finden, um zu verhindern, dass du dich langsam, aber sicher in nichts auflöst. Aber was ist mit deinen Freunden?«
»Ich will auf keinen Fall, dass man sie zu einer Ansammlung von Klischees macht!«
Ich unterdrücke ein frustriertes Seufzen, brauche aber Zeit, um mich zu sammeln. Auf dem Bürostuhl stapeln sich Papiere; also setze ich mich auf die Schreibtischkante.
Möglicherweise wäre der Wechsel zu einer sanfteren Tour jetzt hilfreich. »Ich kann verstehen, Shane, dass du dich nicht gern kommerzialisieren lassen willst. Du möchtest unverfälscht sein und dich nicht vereinnahmen lassen. Ich bewundere dich für diese Haltung, wirklich. Aber außerhalb von Klöstern läuft die Welt nun mal so: Kommerz ist alles.«
»Das weiß ich. Aber wir sollten anders sein. Besser.« Er runzelt die Stirn. »Wir waren immer anders als das.«
»Bis ich alles ruiniert habe.«
»Du hast nicht …« Shane seufzt schwer. »Hör auf damit!«
»Womit?«
»Alles zu einer persönlichen Sache zu machen, sodass ich nicht das neue Marketingkonzept kritisieren kann, ohne gleichzeitig auch dich zu kritisieren. Was überhaupt nicht meine Absicht ist.«
»Ach, und warum nicht? Das alles war doch schließlich meine Idee. Außer den ›Beiß mich, ich bin 0-Positiv‹-Buttons. Das ist auf Franklins Mist gewachsen.«
»Ich möchte nicht, dass das neue Konzept zwischen uns steht.«
Ein schrilles »Uns?«, wie von einem Teenie im Stimmbruch, entschlüpft mir, ehe ich es verhindern kann. »Es gibt ein uns?«
»Das hätte ich gern, ja.« Shane blickt mich an. Zum allerersten Mal heute Abend schaut er mich wirklich an. Sein Blick wandert hinunter zu meinem Oberschenkel, was
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