Roman
Aktenordner mit den Merchandise-Rechnungen.
Regina ignoriert meinen Sarkasmus. »Wir beiden haben noch etwas gemeinsam – neben der Tatsache, dass wir Shane vögeln.«
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht …«
»Meinen Namen sprechen die Leute auch gern falsch aus.«
Ich werfe ihr einen kurzen, argwöhnischen Blick zu. Ich bin ehrlich verwirrt. Zum einen kann ich mir nicht vorstellen, wie man Regina falsch aussprechen könnte. Viel seltsamer aber ist, dass sie versucht, nett zu mir zu sein.
»Ich komme aus Saskatchewan«, erklärt Regina. Sie betont den Namen der kanadischen Provinz dreisilbig.
»Ach, du kommst tatsächlich aus Kanada?«
Regina blickt mich mit gerunzelter Stirn finster an. »Wieso? Bin ich nicht nett genug für eine Kanadierin? Was soll das Vorurteil?« Sie mäßigt sich gleich wieder im Tonfall. »Egal. Weißt du, wie die Hauptstadt von Saskatchewan heißt?«
Ich sortiere und hefte Rechnungen zusammen, während ich mir einbilde, im Kopf die Melodie von Jeopardy! zu hören. »Saskatoon?«
»Ignorante Yankee-Braut.« Regina seufzt theatralisch auf. »Nein, die Hauptstadt von Saskatchewan ist Regina .« So wie sie es ausspricht, hat genau in der Mitte, hinter dem weichen g, ein Ei Platz. »Solange ich da gewohnt habe, haben alle meinen Namen wie die Stadt ausgesprochen, was einfach falsch ist.«
»Und deswegen bist du umgezogen?«
»Ich bin da weg, weil’s dort zum Kotzen war. Stell dir North Dakota vor, nur kälter.«
»Bu-äh! Wohin bist du dann gegangen?«
»Nach London, wohin sonst. Dann nach New York und schließlich L. A.«
»Ich war noch in keiner dieser Städte. Nur North Dakota ist mir ein Begriff.«
Als ich den Aktenordner schließe, stoße ich die Schachtel mit den Büroklammern um, und der Inhalt ergießt sich über den Fußboden. Ich beuge mich schon vor, um sie aufzuheben, da schiebt mich Regina zur Seite.
»Ich mach das!« Sie krabbelt hinter den Büroklammern her und zählt leise vor sich hin, während sie sie in ihrer Handfläche sammelt. Ich blicke zu Franklin hinüber, der dem Vampir mit unbewegter Miene zusieht.
Als Regina fertig ist, steht sie auf und lässt die Büroklammern aus ihrer Hand in die Schachtel gleiten. Mit zitternden Fingern stellt sie die Schachtel zurück auf meinen Schreibtisch. »Dreiundfünfzig.«
Ich schaue die Schachtel an, dann Regina.
Aus Augen, schmal wie Schlitze, wirft sie mir einen Blick zu. »Ein dummer Spruch von wegen Sesamstraße , und ich brech dir das Genick, als wär’s ein Streichholz.«
Mein Telefon klingelt und rettet mich. » WVMP , das Herzblut des Rock ’n’ Roll. Was kann ich für Sie tun?«
Eine kurze Pause, dann eine samtweiche, männliche Stimme. »Ich war auf Ihrer Party am Freitag.«
»Schön!« Gib uns Geld! »Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen.«
»Nein, um ehrlich zu sein. Es hat mir gar nicht gefallen. Ich bin sogar überzeugt davon, dass diese kleine Party der Anfang vom Ende Ihrer Vampir-Freunde ist.«
Ich lache nervös auf. »Ach, tatsächlich! Warum denn?«
»Es war eine Abscheulichkeit.«
Trotz des Gefühls, dass mich da jemand auf den Arm nehmen will, legt sich plötzlich eine eisige Faust um meine Eingeweide. »Aber doch eine Abscheulichkeit, die richtig Spaß gemacht hat?« Ich blicke hilfesuchend zu den beiden anderen hinüber. Franklin führt selbst ein Telefonat, Regina liest mit Zornesfalte auf der Stirn Rex Morgan, M. D.
»Anonymität bedeutet Sicherheit«, sagt die Stimme in der Leitung. »Publicity bringt Gefahr.«
»Was denn für eine Gefahr?«
Regina blickt mich an.
»Wenn Sie diese Kampagne nicht sofort stoppen«, fährt die Stimme am Telefon fort, »wird jemandem früher oder später etwas passieren. Und ich sorge dafür, dass es früher sein wird.«
»Bleiben Sie bitte dran!« Ich lege den Kerl erst einmal auf Eis, als ich sehe, dass Franklin sein Gespräch gerade beendet hat. »Ein Drohanruf«, erkläre ich den beiden anderen im Raum.
»Wer ist es?«, fragt Franklin.
Ich seufze. »Er hat wohl vergessen, mir seinen Namen zu sagen. Soll ich den Typen danach fragen?«
»Ich mach das.« Franklin nimmt den Hörer und schaltet sich in die Leitung. »Franklin Morris, Marketing-Abteilung.«
»Hat der Kerl alt geklungen?«, flüstert mir Regina zu.
»Nein. Die Stimme klang jung.«
»Spencers Stimme klingt auch jung. Aber er ist über siebzig.«
»Oh! Du meinst: vampiralt.« Ich schüttele den Kopf. »Wenn ich wetten sollte, würde ich eher auf Skywave setzen.
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