Roman
wir eigentlich unterwegs?«, frage ich.
Wieder faltet er seine Beine anders und seufzt. »Ehrlich, keine Ahnung, Ciara. Ich habe gehofft, wir finden das gemeinsam heraus, während wir zusammen sind. Wie Leute das normalerweise halt so machen.«
»Ich meine: Wohin fahren wir jetzt gerade? Den geographischen Zielpunkt wüsste ich gern. Denn wie können wir das Feuerwerk sehen, wenn wir so weit weg von Sherwood sind?«
»Der Blickwinkel wird sich noch ändern.«
Ich nehme den Fuß vom Gas. »Es handelt sich besser nicht nur um ein metaphorisches Feuerwerk.«
»Es ist das realste von allen«, verspricht Shane mir.
Das Auto gerät ins Schlingern, als die Straße sich in eine staubige Schotterpiste verwandelt. Wir sind jetzt aus den Wäldern heraus, stehen genau vor einem riesigen Weizenfeld. Wie Laken auf einer Wäscheleine wiegt sich das Korn sanft im Dämmerlicht und einer leichten Abendbrise. Ein paar Glühwürmchen sprenkeln als helle Pünktchen den dunklen Himmel über der Landschaft.
»Fahr dahinten auf die Hügelkuppe hinauf«, weist mich Shane an.
Ich lasse den Wagen am Rand der Schotterpiste ausrollen und mache den Motor aus. »Wir sind allein.«
»Ich habe nicht gewusst, ob wir hier tatsächlich allein sein würden. Es ist eine sehr beliebte Stelle, um sich das Feuerwerk anzusehen.« In seinem Blick steht Bedauern, Reue. »Wir brauchen uns ja nicht anzufassen. Auf diese Weise tun wir dann sicher nichts, was zu schreien und beißen führen könnte.«
»Du hast mir doch schon versprochen, mich nicht mehr zu beißen.«
»Aber bisher glaubst du es mir nicht. Entriegele den Kofferraum und bleib kurz im Auto.«
Während Shane sich damit beschäftigt, alles für seine Überraschung aufzubauen, checke ich die Umgebung nach möglichen Störfaktoren ab: Cops, wütende Bauern, eine Bande durstiger Vampire. Alles scheint ruhig zu sein; also entspanne ich mich.
Shane klopft an das Fenster der Fahrerseite. Beinahe stoße ich mir den Kopf am Autodach. Ich schätze, ich bin doch nicht so entspannt, wie ich mir eingebildet hatte. Shane winkt mir zu, auszusteigen und ihm in den schwülen Sommerabend hinaus zu folgen.
Eine große Decke ist auf dem Gras ausgebreitet, an jeder Ecke beschwert von einer Kerze im Glas. Die eine Hälfte der Decke wird vom versprochenen opulenten Mahl eingenommen: Brathähnchen, eine Käseplatte und Brot dazu, Tomatensalat, mit Schokolade überzogene Erdbeeren und eine Flasche Wein.
Shane verbeugt sich und fordert mich auf, mich auf der Decke niederzulassen.
»Shane …« Ich knie mich auf die Decke, gleich neben die randvollen Picknickteller und -schüsseln. »Du machst mir was zu essen. Das macht sonst niemand für mich!«
Mit dem Fuß klopft er auf die andere Seite der Decke. »Setz dich bitte dahin.«
»Warum?«
»Das ist Teil der Show, okay?«
Ich tue, was er möchte. Jetzt sitze ich mit dem Rücken zum Weizenfeld. Shane öffnet den Wein – einen roten, selbstverständlich – und stellt ihn erst einmal beiseite, damit er Zeit hat zu atmen. Dann reicht Shane mir einen der Teller mit Köstlichkeiten.
»Isst du denn nichts?«, frage ich ihn, als er keine Anstalten macht, sich ebenfalls zu bedienen.
»Es würde mir nicht sonderlich schmecken. Außerdem habe ich noch was Wichtiges zu erledigen.« Er schenkt jedem von uns ein Glas Wein ein. Aus seinem Glas nimmt er einen großen Schluck. »Sobald ich den Mut dazu aufbringe.«
Meine Neugier ist geweckt. Aber da ich hungrig bin, widme ich mich, wie von Shane gewünscht, dem Essen.
Er geht zum Auto zurück und zieht etwas Langes, Schwarzes aus dem offenen Kofferraum. Als er auf dem Rückweg zu unserem Picknickplatz ist, begreife ich, dass das lange, schwarze Etwas ein Gitarrenkoffer ist.
»Überraschung!« Shane hebt das Instrument aus dem Koffer und setzt sich im Schneidersitz auf die Decke, die Gitarre auf dem Schoß.
Ich hatte mir schon zusammengereimt, dass er Gitarre spielt. Denn die Fingernägel seiner rechten Hand – die, mit der er die Saiten auf dem Gitarrenhals greift –, hält er immer sehr kurz geschnitten, kürzer als die links. Aber anstatt ihm das zu sagen, lächle ich wie jemand, der aufgeregt ist – und bin es wirklich.
Während Shane die Gitarre stimmt, jede Saite mit dem Plektrum anschlägt, verliert sich sein Blick irgendwo in der Ferne.
»Okay.« Er räuspert sich. »Ich möchte mit einem Song von Luka Bloom beginnen, einem Iren. Wahrscheinlich hast du noch nie was von ihm gehört …«
»Luka Bloom,
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