Roman
gegenseitig auf die Füße tritt. »Ich mache mir Sorgen, ob ein Vampir nicht die Kontrolle über sich verlieren könnte bei so viel Frischfleisch um ihn herum.«
Ich ziehe meine Hand zurück. »Wie sieht’s, was das angeht, bei Ihnen aus?«
Elizabeth hebt eine der dünnen, schön geschwungenen Augenbrauen. »Ich habe meinen Blutdurst durch Reste aus Blutbanken immer im Griff.«
David lacht rau auf und pflückt ihre Hand von seinem Arm. »Und warum fühlst du dich dann gerade jetzt so kalt an?«
»Die Einschaltquoten werden mit Sicherheit in die Höhe klettern.« Ich wage den Versuch, das Gespräch aus dem eher gefährlichen in ein mehr berufliches Fahrwasser zu lenken. »Alle wichtigen Medienvertreter der Region haben heute Abend schon Interviews mit David geführt.«
David wirft mir einen dankbaren Blick zu. Dann gilt seine ganze Aufmerksamkeit wieder Elizabeth. »Und am ersten Juli«, berichtet er, »beginnen wir damit, die Sendungen unserer Radiomoderatoren auch während des Tages auszustrahlen – anstelle einiger dieser langweiligen vorgefertigten Programme anderer Anbieter, deren Verträge mit uns auslaufen.«
Ich nicke energisch. »Denn wer will schon morgens um drei aufstehen, um sich eine Musiksendung anzuhören?« Außer mir selbstverständlich.
Elizabeth schweigt einen Augenblick, dann streckt sie mir die Hand entgegen. »Viel Glück«, sagt sie, ohne zu lächeln.
Ich versuche wegen des eiskalten Händedrucks nicht die Miene zu verziehen. »Wollen Sie uns auf einen Drink Gesellschaft leisten?«
»Nicht jetzt.« Sie senkt leicht den Kopf, fixiert dabei aber mit großen Augen David. Der Blick ist fragend, ja geradezu bittend. David schiebt das Kinn vor und dreht den Kopf von ihr fort. Er starrt mit zusammengekniffenen Augen auf den Boden hinter dem Tresen. Elizabeth bleibt reglos stehen, und mir geht auf, dass ich unfreiwillig gerade Zeugin von Verhandlungen über sehr intime Angelegenheiten bin.
Schließlich reibt sich David übers Kinn und nickt kurz, ohne Elizabeth dabei anzusehen. Sie atmet tief durch, scheint erleichtert.
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden«, sagt sie, »man erwartet mich bei einer Besprechung.«
Sie entfernt sich, schwebt mehr über den Boden, als sie geht. Sie nähert sich einem breitschultrigen Mann, der gegen eine der Wände gelehnt die Menge beobachtet. Er ist ebenso lässig gekleidet wie alle anderen. Aber er nimmt eine geradezu militärische Haltung an, als Elizabeth bei ihm ankommt. Die beiden unterhalten sich, nicken einander zu und beobachten die Gäste, die Blicke wachsam.
Ich drehe mich zu David, um ihn zu fragen, wer der Typ ist, mit dem Elizabeth sich unterhält. David aber hat ihr gar nicht hinterhergeschaut. Stattdessen starrt er mit zusammengezogenen Augenbrauen und zusammengekniffenen Lippen wieder ins leere Whiskey-Glas. Die Lampen über dem Tresen werfen den Schatten langer, dichter Wimpern auf Davids Wangen.
Ich berühre ihn am Arm, und David blickt rasch auf. Enttäuschung huscht wie eine dunkle Wolke über sein Gesicht, als er begreift, dass ich es bin, der nach seinem Arm gegriffen hat.
»Mit wem unterhält sich Elizabeth da?«, frage ich ihn.
Er wirft einen Blick hinüber. »Einer von den Handlangern der Liga.«
»Aber … Moment mal: Sie arbeitet immer noch für die?«
»Als freie Mitarbeiterin, ja. Sie lässt der Liga Informationen im Tausch gegen Geld und Schutz zukommen.«
Ein Vampir-Spitzel. Erfreulich, dass sie wenigstens ein bisschen Ehre im Leib hat.
Der riesige Kerl von der Liga beugt sich zu Elizabeth hinunter, um ihr etwas ins Ohr zu sagen. Ich habe Gelegenheit, dabei eine verdächtige Ausbeulung unter seiner schwarzen Lederweste zu entdecken.
»Sagen Sie bloß, der Typ trägt eine Waffe!«
»Keine, die einem Menschen gefährlich werden könnte.«
Ich beobachte, wie sie Noah beobachten. Noah lehnt lässig an der Wand hinter der Bühne und unterhält sich mit ein paar aufgestylten Mädels. »Ah, dann darf ich wohl davon ausgehen, dass Sie nach der Sache mit Antoine bei der Liga ausgestiegen sind?«, will ich von David wissen.
»Sie haben mich rausgeworfen, vorzeitige Entlassung: nicht so schlimm wie unehrenhafte Entlassung, aber eben auch keine ehrenhafte. Mir war’s egal. Schließlich habe ich danach endlich meinen Traum in die Tat umsetzen können.«
»Einen Radiosender leiten?«
David nickt. »Und währenddessen ein paar Vampiren dabei helfen, sich der Kontrolle durch die Liga zu entziehen.
Elizabeth und ich
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