Roman
für eine ganze Weile nicht mehr.
»Sie hat Sie gebissen«, konstatiere ich daraufhin.
»Sie war so stark. Ich dachte, ich würde sterben. Nach einer Weile war mir das egal, weil es, nun, es fühlt sich an …« David blickt mich an. »Na, Sie wissen ja, wie es sich anfühlt.«
»Nur was den schmerzhaften Teil angeht, den, wo sich Zähne in einen hineinbohren.« Ich beuge mich näher zu ihm hinüber und weiß, dass der Alkohol Davids Zunge löst. »Wie ist denn der Rest so?«
Sein Blick verliert sich. »Wie die Potenzierung eines Orgasmus. Man hat das Gefühl, als sei man mit einem Mal ganz – als hätte man etwas gefunden, von dem man gar nicht gewusst hat, dass man es braucht.«
Ich frage mich, welche Macht jemand über einen anderen hat, wenn er ein solches Gefühl geben kann. »Und was ist dann passiert?«
»Als ich kurz davor stand, bewusstlos zu werden, stieß sie mich von sich fort und sagte mir, sie würde mich nur noch auf diese und keine andere Weise mehr anrühren.« Davids Lippen kräuseln sich in einem seltsamen Lächeln. Einen solchen Ausdruck habe ich auf seinem Gesicht noch nie zuvor gesehen. »Der Gedanke an Rache war alles, was mich am Leben gehalten hat. Ich verweigerte den Gehorsam und habe Antoine gejagt, allein. Eines Nachts, in einer Gasse in Memphis, habe ich das Arschloch mit einem Pflock durchbohrt.« David stützt den Kopf nun in beide Hände. »Ich habe ihr doch nicht wehtun wollen, nie.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wenn derjenige Vampir getötet wird, der dich selbst zum Vampir gemacht hat, stirbt ein Teil deines eigenen Selbst mit ihm. In dieser Nacht kam Elizabeth in einem vollkommen desolaten Zustand zu mir: Sie litt Todesqualen, ganz, als liege sie selbst im Sterben. Sie sagte, ihr wäre, als habe jemand ihr das Herz herausgerissen und verkehrt herum wieder in sie hineingezwängt.«
»Haben Sie es ihr erzählt – dass Sie Antoine erledigt haben?«, frage ich.
»Nicht gleich, aber ja, schließlich schon. Sie hat mich angeschaut, als wäre ich gerade dabei, sie mit diesem Pflock zu durchbohren.«
»Aber sie hat Sie doch gebissen! Sie hat Ihnen wehgetan.«
»Das war nicht ihre Schuld. Gerade erst verwandelte Vampire haben noch keine Kontrolle über sich und ihr Handeln. Sie hätte einfach nur besser unterwiesen und überwacht werden müssen.«
»Nein, David«, sagt eine tiefe, weibliche Stimme, und mir stellen sich beim Klang dieser Stimme schlagartig sämtliche Nackenhaare auf. »Ich hätte dir einfach gleich die Kehle herausreißen sollen.«
David und ich drehen uns langsam um und sehen uns einer Frau in einem langen schwarzen Seidenkleid gegenüber. Sie sieht nicht viel älter aus als ich, ein paar Jahre vielleicht, nicht mehr. Aber sie ist viel größer. Blonder.
»Elizabeth«, sagt David mit belegter Stimme. »Ich wusste nicht … ich hatte keine Ahnung, dass …«
»Dass ich hier bin?« In ihren blauen Augen blitzt Zorn auf, aber es ist eine kontrolliert eingesetzte Emotion, nichts anderes.
»Dass ich hören konnte, wie du meine Geschichte einer wildfremden Person erzählst?« Elizabeth sieht mich nicht an – nicht dass ich den geringsten Wert darauf gelegt hätte, direkten Blickkontakt zu ihr zu haben.
David räuspert sich und hält ihrem Blick stand. »Es ist auch meine Geschichte, nicht nur deine.«
»Antoine ist meine Sache.« Elizabeths Finger schließen sich um Davids Unterarm. »Nicht deine. Niemals.«
»Ich möchte ja nur, dass Ciara es versteht.« Davids Stimme ist jetzt fest. »Sie hat die Wahrheit verdient. Sie ist jetzt eine von uns.«
In diesem Augenblick bin ich mir gar nicht so sicher, dass ich eine von ihnen sein will. In Wahrheit wäre ich gerade gern einer von den Leuten, die die Bar durch die Eingangstür wieder verlassen. Verlassen könnten , so muss es heißen, denn momentan scheint keiner der Gäste dieses Bedürfnis zu haben.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Ich strecke Elizabeth die Hand entgegen, damit sie, wenn sie nicht sehr unhöflich mir gegenüber sein will, Davids Unterarm loslassen muss, um die Geste zu erwidern. »Ciara Griffin, die neue Praktikantin in der Marketing-Abteilung.«
Elizabeth blickt meine Hand mit einem Ausdruck an, als vermute sie, ich hätte mir gerade eben meine Nase darin geschnäuzt. »Das hier ist Ihre Party?«
»Die Party des Senders, ja. Was halten Sie denn von unserem Marketing-Event?«
Ohne den Kopf zu drehen, lässt sie den Blick über die Menge schweifen, die tanzt, trinkt und sich
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