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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Abend sieht er wie ein Vampir aus.
    Ich klatsche; meine Hände bewegen sich langsam, gleichsam mit Respekt. Denn die Geste wirkt angesichts solcher Energie und Kraft platt und nichts sagend. »Ich habe nicht gewusst, dass man diesen Song nur mit einer akustischen Gitarre so rüberbringen kann. Die Jahre deines Musikstudiums haben sich wirklich bezahlt gemacht.«
    »Waren keine Jahre. Nur Monate.« Er schenkt sich Wein nach, vermeidet den Blickkontakt mit mir.
    Offenkundig macht ihm sein abgebrochenes Studium zu schaffen. Ich wechsle also das Thema. »Apropos: Bei der Gelegenheit ist mir ein neuer Spitzname für euch Vampire eingefallen – Moskitos.«
    »Nett.« Er nimmt einen großen Schluck.
    »Wann hast du das letzte Mal was getrunken?«
    Er hebt das Glas in die Höhe.
    »Ich meine nicht Wein.«
    »Ich weiß.« Er starrt in die tiefrote Flüssigkeit. »Ich bin kein Tier. Ich kann es kontrollieren.«
    »Möchtest du aber eigentlich nicht.«
    »Ich möchte das tun, was ich tun muss, um dich zu bekommen und zu behalten.« Er stellt das Glas fort und konzentriert sich wieder auf die Gitarre. »Das jedenfalls ist der Plan.«
    Der Abend schreitet zur Nacht voran, begleitet von Led Zeppelin, Bob Dylan, Steve Earle, The Pogues und Songs, die ich noch nie gehört habe. Obwohl ich heute Abend eigentlich bei einem einzigen Glas Wein bleiben wollte, hat mich die Musik, das Essen und das Fehlen von Vampirangriffen so entspannt, dass ich mir ein zweites und ein drittes Glas schmecken lasse.
    Die Glühwürmchen beenden eins nach dem anderen ihren Funken-Tanz, entweder, weil sie einen Partner oder eine Partnerin gefunden haben, oder für diesen Abend die Suche aufgeben. Ich gestehe mir ein, dass ich, wäre ich ein Leuchtkäfer wie die dort über dem Feld, mit dem Blinken in dem Moment aufgehört hätte, als Shane die erste Strophe von Ciara gesungen hat.
    Endlich legt Shane die Gitarre zurück in ihren Kasten und knetet seine vom Spielen müden Finger. Mit gerunzelter Stirn blickt er die leere Weinflasche an. »Wie willst du uns mit so viel Alk im Blut nach Hause fahren?«
    »Du kannst doch fahren.«
    Er schaut in eine andere Richtung. »Ein weiteres meiner dunklen Geheimnisse: Ich kann keinen Schaltwagen fahren.«
    »Ich bring’s dir bei.«
    »Ich bin nicht in der Lage zu lernen, wie normale Menschen es können.«
    »Glaub doch nicht alles, was die Liga an Propaganda so verbreitet! Du hast doch auch Ciara zu spielen und zu singen gelernt, oder nicht? Es war doch bestimmt nicht so, dass du den Song schon in deinem Repertoire hattest, ehe du mich kennengelernt hast.«
    »Stimmt.« Er seufzt und holt die Gitarre wieder aus dem Koffer. »Noch einen letzten Song: einen Lobgesang auf dein Schaltgetriebe. Wie wär’s mit It’s the End of the World as We Know It ?«
    »Nein, spiel mein Lied noch einmal! Bitte. Ich verspreche dir auch, nicht loszuheulen.«
    Shane zuckt mit den Schultern. »Weine nur, so viel du willst. Solange ich weiß, dass ich nicht der Grund dafür bin.«
    Er spielt noch einmal Ciara . Seine Stimme ist nun weicher, leiser, kraftlos nach so vielen Songs. Er hat Schwierigkeiten, die hohen Töne der Melodie zu treffen. Das Lied klingt dieses Mal trauriger, kläglicher – als ob er die engelsgleiche Ciara nie erreichen könnte, es aber dennoch immer weiter versuchen wird.
    Dieses Mal muss ich nicht weinen.

16
    Twilight Zone
    Es ist drei Uhr morgens, als ich zu dem mit Ironie gewürzten Song Rock ’n’ Roll Lifestyle von Cake aufwache. Ich komme schnell zu dem Schluss, dass ich zu ruhelos bin, um Shanes Sendung allein anzuhören.
    Es dauert nicht lange und ich fahre auf das Gelände des Senders. Ich parke keine drei Meter vom Eingang entfernt. Ehe ich aus dem Wagen steige, checke ich meine Umgebung: nichts als die unruhigen Schatten der Bäume, die sich im Wind wiegen, und das zögerliche Zirpen einiger Zikaden, die wie ich zu früh am Morgen erwacht sind.
    Ich steige aus. Sofort spüre ich die Kälte einer Präsenz – eine Kälte, die sich mühelos durch die nächtliche Schwüle frisst. Der Blick aus kalten Augen wandert über meinen Körper wie eine Hand mit viel zu vielen Fingern. Während ich mich mit großen Schritten dem Eingang nähere – nicht rennend, so sehr ich es auch möchte –, ertappe ich mich bei dem Wunsch, ich könnte mit echter Überzeugung ein Kreuz zücken.
    Kaum im Gebäude drücke ich die Eingangstür hinter mir ins Schloss und schließe wieder ab. Dann jage ich die Treppe hinunter.
    Unten

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