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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Leute haben die beiden förmlich mit Geld zugeschmissen, mit Geld, das sie eigentlich gar nicht hätten ausgeben dürfen.«
    Shanes Augen verengten sich. »Sie haben dir beigebracht, wie man’s macht.«
    »Ich habe sogar mitgespielt bei der Nummer. Manchmal war ich ein verkrüppeltes Kind, das von ihnen auf wundersame Weise geheilt wurde; manchmal war ich der Anreißer, der genau im richtigen Moment ›Amen!‹ schreit oder ›Danke, Jesus!‹«
    »Aber du warst ein Kind«, meint Shane leise. »Und sie haben dich benutzt!«
    »Für mich war alles ein einziger großer Spaß. Außerdem dachte ich, wir wären …« Mir versagt die Stimme. Shane und ich sitzen einen Augenblick nur da und warten darauf, dass ich weiterreden kann. »Mom und Dad haben mir gesagt, die ganzen Tricks und Kniffe seien nötig, um Gottes Werk zu tun.«
    Shane holt tief Luft. »Ach du heilige Scheiße.«
    »Ich habe es geglaubt. In meiner Familie wurde nicht geraucht, nicht getrunken, und man ging auch nicht tanzen; Sex hatte man – soweit ich weiß – auch immer nur am Hochzeitstag. Ich dachte, Mom und Dad seien gute Menschen. Die ganzen Täuschungsmanöver waren nichts anderes als eine Möglichkeit, unseren Glauben in die Welt zu tragen.« Ich spiele mit dem Zeh an meiner Sandale herum, dort, wo sich die Sohle zu lösen beginnt. »Einmal, ich war vierzehn oder so, also nicht mehr die niedliche Kleine, sondern ein ungelenker Teenie, bin ich ein wenig zu spät im Zelt gewesen für den Erweckungsgottesdienst. Meine Eltern hatten schon angefangen. Ich bin an der Seite entlang nach vorne gegangen und habe die Gläubigen im Zelt beobachtet. Ich habe gesehen, wie glücklich sie waren, wie sehr sie an das glaubten, was ihnen da vorgespielt wurde.« Ich presse die Lippen aufeinander. »Ich habe sie als das gesehen, was sie waren: Deppen, die geschröpft werden wollten. Unbedarft wie Kühe auf dem Weg ins Schlachthaus.«
    »Und wie sind deine Eltern aufgeflogen und im Gefängnis gelandet?«
    »Man hat sie wegen Betrugs verhaftet und angeklagt, als ich sechzehn war. Ich habe als Zeugin ausgesagt.« Ich schlage die Hände vors Gesicht. »Gegen sie und habe sie damit verraten.«
    Ein paar Augenblicke lang herrscht Schweigen zwischen uns. Dann sagt Shane: »He, du solltest dich deswegen nicht mies fühlen! Jeder Teenie träumt davon, seine Eltern hinter Gittern verschwinden zu lassen. Meinen Vater hätte man glatt als Spacko erster Sorte einlochen können.«
    Ich schnaube – nicht gerade ein Lachen, aber wenigstens bin ich nun etwas weiter weg vom Weinen.
    »Entschuldige bitte, dass ich dich verurteilt habe.« Er reicht mir eine weitere Serviette. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Ich putze mir lautstark die Nase. »Spiel einen fröhlichen Song.«
    Eine lange Pause. »Das war doch ein fröhlicher Song.«
    Ich breche in Lachen aus und kann gar nicht mehr aufhören zu lachen, selbst als mir schon meine Wangen und mein Bauch wehtun.
    »Was ist daran denn so lustig?«, fragt Shane.
    »Du. Ich mag dich. Ich bin gern mit dir zusammen.«
    »Jep, da kann man sich mächtig amüsieren.« Er deutet hinter mich. »Trockne dir die Tränen und dreh dich um.«
    »Das Feuerwerk?« Ich drehe mich auf der Picknickdecke einmal um meine eigene Achse und suche gleich mit den Augen den Himmel ab. »Aber ich sehe gar kein … o Gott!«
    Das Weizenfeld ist ein einziges Lichtermeer.
    Soweit das Auge reicht tanzen Schwärme aus leuchtenden Glühwürmchen darüber hinweg. Wie Flammenzünglein schwirren manche der Leuchtkäfer über dem Weizen. Andere steigen steil hinauf in den Himmel, glitzern dort wie das 3D-Bild eines kilometerhohen Weihnachtsbaums. Das Feld leuchtet und funkelt in jeder nur denkbaren Schattierung von Grün, von Meergrün bis farbintensivem Gelbgrün.
    »Junge trifft Mädchen mal tausend«, erklärt Shane. »Oder mal zehntausend.«
    »Wie wissen sie denn, dass sie den richtigen Partner gefunden haben? Oder wählt jedes Glühwürmchen gleich den Erstbesten?«
    »Wenn Glühwürmchen derart spontan wären, wäre das ganze Spektakel in fünf Minuten vorbei. Aber jeder von ihnen sucht nach einem ganz bestimmten Signal, das ihnen zeigt, dass dies der oder die Richtige sein könnte.«
    »So was Schönes habe ich noch nie gesehen!« In meinen eigenen Ohren klingt der Satz in seiner Ernsthaftigkeit etwas übertrieben. »Zumindest um einiges besser als Blasmusik und Schwarzpulver.«
    »Ich habe mir schon gedacht, dass es dir gefallen würde. Was heißt, dass ich

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