Roman
liege ich falsch.
Ich mag es, falsch zu liegen.
Ich greife in Shanes Haar, ziehe ihn an mich in einen intensiveren Kuss. Einer der beiden Teenies hinter mir murmelt: »Yeah, Mann, nicht schlecht.« Wir ignorieren ihn.
Die Stimme einer Erwachsenen neben uns sagt: »Bitte sagt mir, dass ihr nicht am Arbeiten seid.«
Shane und ich gehen auseinander, um Elizabeth vor uns zu sehen. Beinahe hätte ich sie in der Freizeitkleidung, die sie heute Abend trägt, nicht erkannt. Dabei hat sie selbst in Jeans und schlichtem TShirt mit VAusschnitt eine derart gute Figur, dass sie vermoderte Leichen dazu bringen könnte, Männchen zu machen.
»Ich führe Shane in die neuesten Entwicklungen auf dem Musikmarkt ein.«
»Er scheint mir ein recht eifriger Schüler zu sein.« Sie zwinkert mir zu, was ich als Zeichen für Sympathie deute.
»Und, ein paar Schnäppchen gemacht?« Ich lege den Kopf schief, um lesen zu können, was auf den CD s in ihrer Hand steht. Bei der obersten handelt es sich um einen Sampler mit besonders erfolgreichen Melodien von Rodgers und Hammerstein. »Franklin und ich stehen kurz vor dem Abschluss einer Cross-Promotion mit der Record-&-Tape-Filiale hier. Die müssen nur noch mit ihrer Zentrale klären, ob sie sich mit mehr als einem Sender zusammentun dürfen.«
Shane und Elizabeth hören meinen faszinierenden Ausführungen zum Thema Geschäfte des Senders gar nicht zu. Stattdessen beäugen sie sich gegenseitig. Keine Sekunde lassen sie sich aus den Augen, belauern einander wie verfeindete Katzen, die nur durch eine Fensterscheibe voneinander getrennt sind.
Ich versuche es mit guter Stimmung. »Oh ja, Elizabeth, ich wollte mich noch dafür bedanken, dass du den Va… den DJ s die Gelegenheit gibst, auch weiterhin zu überleben.«
Ihre Augen verengen sich. Immer noch gilt ihr Blick allein Shane. »Sie könnten auch ohne den Sender überleben. Jemand würde sich immer um sie kümmern. Dafür würde ich sorgen.«
»Dafür sorgen, dass wir unsere wohlverdiente Ruhe finden in den Armen der Liga?« Shane sieht aus, als würde er sich nach den letzten Worten am liebsten den Mund spülen.
Elizabeth wartet mit der Antwort, bis zwei College-Studentinnen mit magentarot gefärbten Haaren an uns vorbei sind. »Viele Menschen sehnen sich nach einem derart bequemen Ort für ihren letzten Lebensabschnitt.«
»Bequem? Eines dieser Liga-Gefängnisse, wo man mit Resten aus Blutbanken gefüttert wird, bis man zu schwach ist, sich auf den eigenen Beinen zu halten – bequem?«
»Es sind keine Gefängnisse, sondern Rückzugsstätten.«
»Welche Rückzugsstätte schließt ihre Bewohner ein?« In gespielter Überraschung schlägt Shane sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Oh, halt, wie konnte ich das nur vergessen? Die Türen bleiben während des Tages ja unverschlossen für den Fall, jemand möchte sich von der Last alles Unirdischen befreien!«
Elizabeth fixiert Shane und spricht abgehackt und mit gedämpfter Stimme. »Ohne das Rückzugsprogramm der Liga – wohin würden all die armen alten Vampire gehen, denen die Welt zu viel geworden ist?«
»Oh, bitte! Heb dir das für jemanden auf, der es nicht besser weiß. Und bei dieser Übernahme durch Skywave sollte es dir lieber ums Geld gehen als darum, bloß einen Anlass für unseren ›Ruhestand‹ zu finden.«
»Selbstverständlich geht’s ums Geschäft, um sonst nichts.«
»Das heißt wohl, dass du uns, sobald der Sender Profit macht, in Ruhe lässt«, sagt Shane.
Elizabeth lacht und fährt sich mit den Fingern durch ihre wilde Jennifer-Aniston-zweite- Friends -Staffel-Frisur. »Wir schreiben so
tiefrote Zahlen, dass es schon ein Wunder bräuchte, um uns bis zum Ende dieses Jahrzehnts, geschweige denn bis zum Ende dieses Sommers, ans Ziel zu bringen.«
»Ein Wunder, ja?« Shane nimmt mir die CD s aus der Hand und legt einen Arm um meine Schulter. »Schätze, dann sollten wir uns besser gleich an die Arbeit machen.«
Auf dem Weg zurück zum Sender schweigt Shane beharrlich. Er starrt die ganze Fahrt über aus dem Seitenfenster und spielt mit den neuen CD s in seiner Hand. Selbst in diesem Dreierstapel sind sie alphabetisch geordnet.
Sein Schweigen gibt mir Gelegenheit, über unsere Begegnung mit Elizabeth nachzudenken. Shane hatte mir irgendwann einmal erzählt, auf Dauer schwäche eine Ernährung von Blutbankenblut einen Vampir. Elizabeth aber schien mir bei Traders ziemlich energiegeladen für jemanden, der sich angeblich strikt an eine Rot-Kreuz-Diät
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