Roman
und feucht nach dem Regen; man kann schon ganz entfernt den leichten Duft des Herbstes riechen, der bald kommen wird.
Jetzt stehen wir draußen, ich mit verschränkten Armen, Martin mit den Händen in den Hosentaschen.
»Also dann«, sage ich.
»Ja, bis dann, Caro«, erwidert Martin.
Er will mich auf die Wange küssen, aber ich unterbreche ihn. »Hör mal, kann ich dir einfach sagen …«
»Musst du das wirklich?«, unterbricht er mich, nicht unfreundlich. »Weil ich, um ehrlich zu sein, nicht sicher bin, ob ich es hören will.«
Ich sehe ihn an. Sein Gesicht ist offen und freundlich, zeigt nicht einmal einen Anflug von Boshaftigkeit. Ein kleiner Teil von mir wird ihn wahrscheinlich immer lieben.
»Okay«, antworte ich. »Okay, ich verstehe.«
Und dann küsse ich ihn, verweile ein bisschen zu lange an seiner Wange und gehe dann weg, ohne mich umzusehen.
Mir ist nicht danach, sofort nach Hause zu gehen, also mache ich einen kleinen Umweg über die Albert Bridge Road. Sie ist von Bäumen gesäumt, die in voller Sommerpracht stehen, und die hohen roten Backsteinhäuser glänzen unter dem Sichelmond.
Ich schließe die Augen und atme den Duft des Parks zu meiner Rechten ein, der um diese Zeit in unheimlicher Dunkelheit liegt.
»Ich kann es nicht fassen«, sage ich laut zu mir selbst. Ich kann es nicht fassen, dass ich das alles so falsch verstanden habe, dass ich das alles so unglaublich versaut habe.
Mein ganzes Leben lang habe ich mich dagegen gewehrt, mich von der Liebe überwältigen zu lassen. Aus Angst vor dem Schmerz habe ich lieber mit Schatten geboxt, als mir wirklich einen Kinnhaken verpassen zu lassen. Und dann passiert es mir ausgerechnet mit einem verheirateten Mann. Ich gebe alles auf für einen Mann, den ich niemals haben kann und der mich vermutlich niemals wollen wird. Nicht wirklich.
Auf eine verquere Weise dachte ich, dass es sehr heroisch von mir wäre, Martin zu sagen, dass ich mit jemand anderem zusammen war. Schließlich würde es ihm klar zu verstehen geben, dass zwischen uns nie wieder etwas laufen würde. Ich hätte niemals gedacht, dass sein Entsetzen darüber, dass ich eine Affäre mit einem verheirateten Mann habe, meine Bemühungen, »das Richtige zu tun«, überschatten könnte. Wenn Lexi und Martin es für falsch halten, mit dem Mann einer anderen zu schlafen, dann haben sie vielleicht recht. Nein, sie haben definitiv recht! Die Frage ist nur, ob ich diese Affäre wirklich beenden kann.
Ich biege nach links in die Prince Albert Street ein und mache mich auf den Weg nach Hause. Um diese Zeit ist es überraschend still so nah am Flussufer von Battersea, man hört nur das entfernte Gurren einer wilden Taube und das merkwürdig halbherzige Aufheulen des Motors eines schwarzen Taxis, das durch die leeren Straßen fährt.
Vielleicht werde ich kurz in den Spar gehen, denke ich, und mir einen Liter Milch kaufen, damit ich mir einen Tee kochen kann, wenn ich nach Hause komme. Aber gerade als ich reingehe, höre ich eine vertraute Stimme:
»Hey, Caroline.«
Ich bemerke zuerst die Schuhe: schmutzige rote Converse-Sneakers mit offenen Schnürsenkeln. Dann sehe ich auf. Es ist Wayne. Er trägt seinen öligen, zu weiten Pullover und hat ein Weißbrot unter dem Arm und eine Spar-Tüte in der Hand.
»Hi«, sage ich. Wieder diese Augen: so ein ungewöhnliches Blassgrün mit schwarzen Flecken. Ich lege verlegen die Hand an mein Gesicht. Er ist der Letzte, dem ich begegnen will, wenn ich so schlimm aussehe, und mir schwirrt Martin noch zu sehr im Kopf herum, um eine höfliche Unterhaltung führen zu können.
»Was machst du denn …?«, fragen wir beide gleichzeitig und lachen dann nervös.
»Ich habe mich mit einem Freund im Latchmere getroffen.«
Er sieht mich besorgt an.
»Geht es dir gut?«, fragt er.
»Ja, alles in Ordnung, ähm … Wein?«, will ich wissen und deute auf die Tüte, die er in der Hand hält und die jetzt an sein Bein klirrt. »Für einen ruhigen Abend zu Hause?«
»Ja, ich habe heute etwas erfahren. Man hat mir einen Job angeboten. In Sheffield. Ich versuche gerade, zu entscheiden, ob ich das machen soll.«
Da passiert etwas Komisches: Mein Herz geht unerwartet auf Talfahrt, so unauffällig und unerwartet, dass ich es gar nicht erkenne.
»Sheffield, hm? Wow, das ist weit weg. Und was ist das für ein Job?«
»Webdesign, wieder das, was ich früher gemacht habe. Das bedeutet das Aus für das Buch und das Boot und alles«, erklärt er und sieht sich um. »Aber ich
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