Roman
jede Gelegenheit nutzen und alles ausprobieren willst.«
»A-aber …«, stammele ich jetzt. Das ist lächerlich. »Wie zum Teufel hast du es geschafft, in meinen Account zu kommen? Und eine Verabredung für mich auszumachen?«
»Ganz einfach: Ich habe die Wahrheit erzählt. Ich habe jemanden gefunden, von dem ich dachte, dass er dir gefallen könnte, habe gesagt, dass ich deine Schwester bin, dass du humorvoll und charmant bist und eine richtige kleine Sexbombe …« Das kann ich nicht glauben! Ist sie noch ganz bei Trost? »Aber dass du auch sehr schüchtern bist und als alte Jungfer enden wirst, wenn nicht endlich jemand die Sache in die Hand nimmt.«
Mein Mund steht offen.
»Okay, das mit der alten Jungfer habe ich nicht gesagt, aber den Rest schon.«
»Und?« Ich bin jetzt ebenso fasziniert wie entsetzt.
»Er hat es bestätigt: Ja, du seist eine richtige kleine Sexbombe, und er würde sich sehr gerne mal mit dir treffen.«
»Dann hast du dich also im Prinzip in meinen Account eingeloggt und in meinem Namen Sachen verabredet?«
»Hm, hm. Ich schätze, so ist es, ja.«
Ich sehe nicht wirklich einen Sinn darin, deshalb zu streiten. Das ist schließlich mein neues Ich, mein wild entschlossenes Ich, das zu Blind Dates gehen will, einfach so, das eine entspannte Aura ausstrahlt und sich in seiner Haut total wohlfühlt. Ich bin jetzt niemand mehr, der das Innere der Wasserhähne mit der Zahnbürste putzt oder Gläser in der Küche aufreiht. Oder mit verheirateten Männern schläft. Oder endlose Listen schreibt. Na ja, vielleicht hin und wieder mal eine.
Während ich an diesem Abend vor meinem Date mit einer Gurkenmaske auf dem Gesicht in der Wanne liege, kann ich dem Drang nicht widerstehen, eine ganz kurze zu schreiben. Nur, um meine Nerven zu beruhigen. Lexi ist sie vorher mit mir durchgegangen, weil sie sehr viel mehr Erfahrung mit Verabredungen hat als ich – mit siebzehn, was ziemlich tragisch ist, wenn ich es mal so betrachte.
Ich setze mich also in der Wanne auf, achte darauf, mein Notizbuch nicht nass zu machen, und schreibe die Punkte auf:
Erste Verabredung: Die Regeln.
1. Sei du selbst.
2. Lächle viel.
3. Achte auf eine offene Körpersprache.
4. Stell auch offene Fragen, wie (das habe ich laut geübt): »Wie findest du Sansibar als Ferienziel?«, statt: »Sansibar? Ja oder nein?« Im Zweifelsfall einfach einen Witz machen.
5. NICHT zu viel trinken.
6. NICHT über Expartner sprechen.
7. Definitiv kein Sex (oder irgendeine andere Form von sexuellem Kontakt, abgesehen von Knutschen).
Erst Minuten, bevor ich gehe, ändere ich meine Meinung, was das Outfit betrifft.
Ich stehe oben an der Treppe und trage das mitternachtsblaue Etuikleid, das Wayne mir geschenkt hat, und Lexi steht unten.
»Ich habe beschlossen, dass mir das Kleid, das wir heute zusammen gekauft haben, zwar gefällt, aber dass ich lieber dieses hier anziehen will. Was meinst du?«
Lexis Gesicht hellt sich auf. Ein langsames, erfreutes Lächeln breitet sich darin aus.
»Aber ich dachte, du hättest es am Ende nicht gekauft?«, wundert sie sich.
»Wayne hat es mir geschenkt – eine Art Friedensangebot wegen des Hand-auf-dem-Herzen-Fiaskos. Ich habe vergessen, es dir zu erzählen. Findest du, es geht?«
Sie stützt ihr Kinn auf das Geländer und sieht mit ihren großen dunklen Augen zu mir auf. »Ob es geht? Ich finde es perfekt. Sehr, sehr, sehr cool. Du siehst umwerfend aus.«
Umwerfend? Also, das ist nicht schlecht. Vor allem, wenn eine Siebzehnjährige das sagt.
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Nicht zu jugendlich?«
»Nein.«
»Nicht zu Miefiger-Second-Hand-Laden?«
»Definitiv nicht.«
»Nicht zu Überdreißigjährige-versucht-auszusehen-wie-siebzehn?«
Lexi stöhnt. »Geh jetzt! Er wartet bestimmt schon auf dich.«
»Aber was, wenn er schrecklich ist? Was, wenn er nur einen Meter fünfzig groß ist und einen künstlichen Darmausgang hat, von dem er nichts erzählt hat? Oder ein falsches Bein? Oder wenn er ein Rassist ist oder stinkt oder todlangweilig ist? Oder wenn er findet, dass ich stinke und todlangweilig bin oder … Oh Gott, ich ertrage das nicht.«
»Herrgottnochmal!« Lexi schüttelt verzweifelt den Kopf. »Der blanke Irrsinn. Dann schick mir einfach eine SMS , und ich rufe dich an, okay? Plötzlicher akuter Blinddarmdurchbruch. Du musst sofort gehen und mich ins Krankenhaus fahren. Ganz einfach. Und jetzt geh.« Sie scheucht mich die Treppe hinunter. »Na los, raus hier. Ich kann das nämlich jetzt
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