Roman
aussehenden blassblauen Pullover unter seiner Biker-Jacke – definitiv eine Verbesserung gegenüber dem öligen Zopfmusterpulli. Es lässt ihn sexy und lässig aussehen. Nicht zu bemüht.
Er lächelt – das gleiche warme ansteckende Lächeln –, und ich bin plötzlich aufgeregt: Ich bin zum ersten Mal seit Jahren wieder mit einem Mann verabredet, und zwar mit jemandem, der mir gefällt. Wie hoch standen schon die Chancen dafür? Laut Shona, die Jahre mit Internet-Dating verbracht hatte, bevor sie Paul traf, hat man schon Glück, wenn die Altersangabe weniger als zehn Jahre von dem tatsächlichen Alter abweicht. Neben der Aufregung spüre ich jedoch auch Panik in mir aufsteigen. Was, wenn er darauf gehofft hat, dass ein ein Meter achtzig großes schwedisches Modell namens Annika durch die Tür kommt, und jetzt mit mir Vorlieb nehmen muss: einem ein Meter sechzig großen nervösen Wrack mit einem – derzeit – exzessiven Schweißproblem? Was, wenn er sich bei Lexi darüber beschwert?
Ich weiß, was sie sich wahrscheinlich dabei gedacht hat: Meine bedauernswerte Schwester braucht ein bisschen Verabredungspraxis. Wayne geht bald nach Sheffield – perfekt für einen Übungslauf ohne Konsequenzen, bevor ich das Männerfindungsprogramm intensiviere und ihr einen richtigen Freund besorge. Aber was hält Wayne davon, mir den Abend opfern zu müssen? Ich schätze, dass er sich für seine letzte Londoner Affäre etwas Exotischeres erhofft hat.
Oder vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Denn als wir uns setzen, lehnt er sich auf seinem Stuhl zurück und wirft mit einer amüsierten Miene einen Blick unter den Tisch, sodass ich instinktiv einen Fuß mit Keilabsatzschuh um den anderen wickele.
»Ich muss es noch mal sagen, du bist …« Er bläst Luft aus. »… eine Wucht.«
Ich grinse ihn an wie eine Geisteskranke. Machte er sich lustig über mich?
»Schönes Kleid übrigens.«
Mir gefällt die Art, wie er »schön« sagt.
»Danke, es ist ein Geschenk von jemandem mit ausgezeichnetem Geschmack.«
Ich schaue mich auf dem komischen kleinen falschen Opernbalkon um, auf dem wir sitzen – er kommt mir vor wie etwas aus Alice im Wunderland . Wir sitzen auf Bänken, und auf dem Tisch zwischen uns liegt etwas, was Martin definitiv als »Ethno-Zeug« bezeichnet hätte – ein Stück buntes Sackleinen mit Quasten und ausgefransten Ecken. Wie auf der Bühne bei einer Schulaufführung hängen breite, mit Sonne und Mond bedruckte Stoffstreifen um uns herum, und uns gegenüber befindet sich eine Sammlung von Uhren und verstaubten Büchern, die gefährlich hoch aufgetürmt sind und offensichtlich wie Theaterrequisiten aussehen sollen. Ich werfe einen Blick auf die Karte: Griechisch – oder war das Türkisch? Marokkanisch? Es ist schwer zu sagen.
Die Vorspeise kommt – ein Klumpen Hummus mit Ziegenkäse und pampigen Zucchini –, und wir fangen höflich an zu essen und geben uns gegenseitig etwas ab.
Wayne zieht seine Jacke aus und rollt seine Ärmel auf. Da ist wieder das Tattoo. Wer ist Justine? Irgendwann würde ich ihn danach fragen.
Ich sage: »Ich habe angefangen, dein Buch zu lesen.«
Wayne legt die Gabel zur Seite und sieht mich erwartungsvoll an.
»Und?«
»Ich finde es toll!«
»Ehrlich?«, fragt er erfreut. »Das behauptest du jetzt nicht nur so?«
»Nein, glaub mir, ich bin die schlechteste Lügnerin der Welt. Ich finde es süß und rührend und wirklich lustig.« Ich fange an zu kichern, als mir Teile wieder einfallen. »Ich liebe einfach die Szene, wo Kevin zu Argos geht und sich Hanteln kauft, die er dann kaum nach Hause tragen kann, um dann das Arnold-Schwarzenegger-Video im Garten hinter dem Haus nachzuspielen, nur weil er diese totale Schlampe Lucy Briers zurückerobern will.«
Wayne lacht auch.
»Sie ist eine ganze schöne Ziege, diese Lucy Briers, oder?«
»Eine brillante Figur. Total brillant. Und es ist einfach so süß.« Ich rede weiter, jetzt ganz begeistert und in meinem Element. »Diese Arnold-Schwarzenegger-Sache, dadurch habe ich mich total in Kevin verliebt. Man kann sich diesen dürren Dreizehnjährigen bildlich vorstellen, wie er verzweifelt in seiner Unterhose im Garten Gewichte stemmt, während seine Mutter die Wäsche aufhängt und die Augen verdreht.«
Wayne lächelt und stochert in dem Essen auf seinem Teller herum. Wir wissen beide, dass es ziemlich schlecht ist, aber wir sind zu höflich, um es zu sagen.
»Ich freue mich wirklich sehr, dass es dir gefällt«, meint er.
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