Roman
Mannes, nicht die eines Jungen. »Ist Lexi da?«
»Wer spricht denn da?«
»Sagen Sie ihr, hier ist Clark«, bittet er. Seine Stimme klingt, als sei er aus dem Norden, gebildet und ziemlich attraktiv.
»Es ist Clark«, sage ich ausdruckslos und halte ihr den Hörer hin, aber Lexis Gesicht verdunkelt sich sofort.
»Nein. Auf keinen Fall«, lehnt sie ab und schüttelt den Kopf. »Sag ihm, ich bin nicht da.«
»Sie ist nicht da.«
Lexi ist gegen die Wand gesunken und plötzlich totenbleich.
»Sind Sie sicher? Ich muss nämlich wirklich dringend mit ihr sprechen.«
Ich halte Lexi erneut den Hörer hin.
»Er muss wirklich dringend mit dir sprechen.«
Lexi schüttelt den Kopf.
»Scheiß drauf.« Sie weint jetzt wirklich, die Tränen laufen ihr über das Gesicht. »Sag ihm, ich will nicht mit ihm reden. Und wo du schon dabei bist …« Sie zeigt mit dem Finger auf den Hörer. »Sag ihm, er soll sich ins Knie ficken. Ich wünschte, er würde mich endlich in Ruhe lassen – und du auch!«
Dann rennt sie nach oben und lässt mich mit dem Telefon und der Frage, was dieser Auftritt gerade sollte, allein.
Ich hebe vorsichtig die Hand von der Muschel.
»Clark? Sie ist betrunken und regt sich über irgendetwas sehr auf. Ich würde es später noch mal versuchen, wenn ich Sie wäre.«
»Das werde ich«, sagt er.
***
Am nächsten Tag wache ich irritiert auf. So, als läge mein Leben vor mir und wäre in winzig kleine Fragmente zersplittert, so, als hätte ich nichts mehr unter Kontrolle. Dann bin ich eben selbstsüchtig, aber wenn ich meine Halbschwester schon für den Sommer bei mir aufnehme, dann erwarte ich einfach, dass sie nicht besoffen nach Hause kommt und ihre Beziehungsschwierigkeiten an mir auslässt. Und wir können den Buchclub auch nicht mehr bei mir stattfinden lassen, wenn Lexi jede Minute reinplatzen könnte, also sollten wir uns vielleicht gar nicht mehr treffen. Warum kriege ich bei diesem Gedanken plötzlich Panik? Jedenfalls habe ich heute ein wichtiges Meeting mit Schumacher – wenn ich bei der Präsentation meine Karten richtig ausspiele, könnte ich einen Deal mit Langley’s abschließen, was bedeuten würde, dass meine Chancen steigen, Verkäuferin des Jahres zu werden. Und ehrlich gesagt kann ich – obwohl ich schon spüre, wie schwesterliche Schuldgefühle meine Entschlossenheit wie Haarrisse durchziehen – auch gut ohne Lexis Beziehungsdramen auskommen.
Ich nehme mir meine Liste vom Nachttisch. Genau das brauche ich jetzt. Sauber aufgelistete Dinge, klare Aufgaben und die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen. Ich fühle mich schon besser.
Dies hier ist meine Hauptliste, ich habe auch noch eine Einkaufsliste, eine Liste mit kulturellen Veranstaltungen, die ich besuchen muss, eine Büroliste, eine Geschenkeliste und eine Langfristige-Ziele-Liste.
Ich hole mein Notizbuch vom Nachttisch und mache mich daran, die Liste auf den neuesten Stand zu bringen.
Erledigen:
NICHT SO WICHTIG
• Etwas mit Quinoa kochen – noch offen.
• Augenbrauen zupfen – erledigt. (Erneut machen, wenn sie wieder zusammenwachsen.)
• Das Gästezimmer streichen – nicht mehr tun, Punkt aufgeben!
• Die Fotoalben sortieren (Fotoecken kaufen) – noch offen, aber ehrlich, wann?
• Bei der Verwaltung anrufen wegen Recycling – erledigt! (Obwohl ich dabei bleibe, dass es da ein kleines Arschloch im Wandsworth Council gibt, dessen Berufsbezeichnung »Leitende Schlaumeise« lautet, denn man scheint einen Uni-Abschluss zu brauchen, um den Müll richtig zu trennen.)
• Den tropfenden Wasserhahn reparieren
• Zu mehr lokalen Kulturveranstaltungen gehen. Kommendes Wochenende: Installation eines interessant klingenden deutschen Künstlers in der Pump House Gallery – erledigt! Was jetzt? (Liste mit den kulturellen Veranstaltungen durchgehen und etwas raussuchen. Keramik der Aborigines?)
• Lernen, wie man den iPod benutzt, den ich schon seit Weihnachten habe. Tu es einfach!!!
• (Ich habe eine Abneigung gegen Leute entwickelt, die mir Dinge schenken, bei denen ich dann die Zeit finden muss, um zu lernen, wie man damit umgeht, was auf so vielen Ebenen einfach falsch ist.)
• 3 x 12 Kniebeugen und 3 x 12 Sit-ups vor dem Schlafengehen (morgen damit anfangen) – morgen damit anfangen.
• An einem richtigen Buchclub teilnehmen.
WICHTIG
• Jedes Wochenende mindestens zwei Stunden Büroarbeit erledigen. Keine Ausreden! (Das wird kaum was werden, solange ich mich um einen Teenager kümmern muss.)
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