Roman
entfernt.
Ich sehe, wie Toby zusammenzuckt, als er sie entdeckt; sein Blick bleibt für eine Sekunde darauf gerichtet, bevor er mich mit offenem Mund ansieht.
»Was ist los?«, kichert Lexi. Ihre Augen schweifen durch den Raum, dann fällt ihr Blick für eine Sekunde auf den Boden. Ich spanne meine Bauchmuskeln an und vergesse zu atmen.
»Nichts. Äh, ich habe nur gesehen, wie spät es schon ist«, erklärt Toby fröhlich. »Ich mache mich besser auf den Weg.«
»Schon?« Lexi sieht enttäuscht aus und verfolgt ihn mit betrunkenem Blick, während er seine Jacke holt.
Normalerweise bringe ich Toby zur Tür und küsse ihn noch mal zum Abschied, bevor er geht, aber diesmal kann ich das nicht riskieren. Abgesehen von allem anderen wäre es potenzieller Selbstmord, Lexi mit der Unterhose allein zu lassen.
»Guter Buchclub diese Woche, Delaney«, sage ich lahm, während er seine Jacke anzieht.
»Der beste Roman, den ich seit Langem hatte … Ich meine, gelesen habe«, erwidert er, was ein Witz ist, den er bei jedem Buchclub macht. »Ich hoffe, du hast morgen keine Kopfschmerzen, Alexis«, fügt er hinzu und geht. Ich sehe zu, wie er die Tür öffnet, sie hinter sich schließt und nach Hause zu seiner Frau geht.
8
Lexi geht zur Spüle, um etwas Wasser zu trinken, und ich erkenne sofort meine Chance, schnappe mir die Unterhose und stopfe sie in die Küchenschublade. Sie setzt sich wieder und verfehlt dabei fast den Stuhl. Mein Gott, ich glaube, das brauche ich wirklich nicht.
»Lexi, bist du betrunken?«
»Nein.«
»Doch, das bist du. Du bist total besoffen.«
Sie verdreht die Augen, wackelt auf Teenagerart leicht mit dem Kopf, und ich bin plötzlich total müde. Außerdem bin ich ziemlich schlechter Laune und angefressen, weil sie hier einfach auftaucht, angezogen wie ein kleines Luder, und rumflirtet mit meinem, meinem – was ist er eigentlich? –, meinem Liebhaber? Meinem Komplizen? Meinem … Na ja, meinem jedenfalls; er gehört mir. Und ich mag es nicht, dass sie mir dieses komische Gefühl gibt, eine schreckliche Mischung aus eifersüchtiger großer Schwester – eine sehr unangenehme Regung – und nerviger, humorloser Mutter zu sein. Wo sie doch meine Schwester ist und ich einfach nur ins Bett und danach wieder zur Arbeit gehen und mein Leben so weiterführen will wie bisher.
»Was ist mit dem Bodycombat-Kurs passiert?«
»Ich hab einen Freund getroffen.«
»Lex, komm schon. Das hier ist London. Ich lebe hier schon seit zehn Jahren, und ich habe noch nie zufällig einen Freund getroffen.«
»Ich schon, okay?«
»Und was war das für ein Freund? Ein Mann?«
»Könnte sein.«
»Ist es dieser Jerome, den du im Zug kennengelernt hast?«
»Könnte sein.«
»Ist es Wayne?«
»Nein.«
»Lexi, hör auf damit.«
»Ich mache doch gar nichts«, seufzt sie und verdreht dramatisch die Augen.
»Und was sollte das Geflirte?« Ich weiß nicht, woher das kommt, aber jetzt ist es raus, und ich kann es nicht mehr zurücknehmen.
»Was für ein Geflirte?«
»Oh, komm schon, Lexi, du hast wie wild mit Toby geflirtet! Mit den Wimpern geklimpert, deine Schuhe weggekickt.«
»Habe ich nicht! Ich habe nur mit ihm geredet.«
»Geredet? Du hast ihm deinen Ausschnitt direkt vors Gesicht gehalten!«
Sie sieht eindeutig verletzt aus. Ich fühle mich schuldig, aber nicht sehr.
»So’n Quatsch. Und außerdem hat er mit mir geflirtet.«
»Das ist Quatsch. Du bist nur besoffen und bildest dir Sachen ein.«
»Wieso interessiert dich das überhaupt?«
Da hat sie recht. Warum interessiert mich das plötzlich?
»Er ist mein Kollege! Ich muss mit ihm arbeiten.«
»Wohoo, er ist also nicht dein Freund? Dann habe ich eben mit einem netten Typen geflirtet, der, der …« Sie fängt jetzt an zu weinen, was mir ein bisschen übertrieben vorkommt. Ich weiß, ich sollte sie jetzt vermutlich umarmen, aber mir ist nicht danach, so einfach ist das. »… der nett zu mir ist und mir Fragen stellt?«
Ich verdrehe die Augen. »Herrgott, Lexi. Es geht gar nicht darum, sondern um die Tatsache, dass du stinkbesoffen bist und ich verdammt noch mal auf dich aufpassen soll! Du bist hergekommen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und ich weiß nicht mal, wo du warst.«
In diesem Moment klingelt das Telefon. Erst starren wir beide es an, dann starren wir einander an.
»Wenn es Dad ist, ich bin nicht da«, sagt Lexi.
»Oh doch, das bist du.«
Ich gehe dran.
»Hallo?«
»Oh, hallo.« Es ist eine Männerstimme – die eines
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