Roman
ist, die man mir je eingetrichtert hat. Tatsächlich habe ich manchmal das Gefühl: War’s das jetzt? Ist mein einziger Versuch, glücklich zu sein, schon vorbei?
Vielleicht geht es Toby genauso, wenn er über seine Ehe spricht. Und ich kann das nachempfinden; deshalb verstehe ich ihn. Denn wenn Erwachsensein bedeutet, dass man alles ganz sicher weiß, dann bin ich so weit davon entfernt, wie es einem Menschen überhaupt nur möglich ist.
Wir halten am Green Park. Ich denke an Lexi, wie sie im Bett liegt und zweifellos über das Leben nachgrübelt, über Clark, über unseren Streit gestern Abend. Wahrscheinlich steckt sie gerade Nadeln in eine Voodoo-Puppe. Vielleicht hat sie wegen der Trennung von ihrem Freund die Schule geschmissen – das dachte ich mir schon an dem Tag, als sie kam. Sie hält es wahrscheinlich für das Ende der Welt. Erst wenn man zweiunddreißig ist und zurückblickt, wird einem klar, dass es da gerade erst anfängt.
9
»Das hier ist Aaron. Aaron ist achtundzwanzig und auf dem Höhepunkt seiner Karriere.«
Regel Nummer eins für das perfekte Verkaufsgespräch: VERMENSCHLICHEN . Vor allem bei Darryl Schumacher. Darryl kann dem menschlichen Aspekt einfach nicht widerstehen. Es lässt ihn glauben (fälschlicherweise, völlig fälschlicherweise), dass er auch menschlich ist.
»Aaron ist ein erfolgreicher Versicherungsmakler. Er arbeitet in einem eleganten Hochhaus in Manchester.« (Schlüsselbild von einem eleganten Hochhausblock in Melbourne. Shona konnte keins von Manchester finden.) »Ihm gehört ein Apartment am Hafen im angesagten Canalside District, er fährt ein Audi-Cabrio, trinkt Staropramen- und Budvar-Bier und kauft seine Kleidung bei Ted Baker, Diesel und Reiss.«
Darryl fummelt an seiner Krawatte herum. Man kann sehen, wie er denkt: Muss auch mal zu Reiss gehen und herausfinden, ob die Sachen wirklich so toll sind.
»Sein Image ist Aaron sehr wichtig, und das liegt daran, dass GUTER EINDRUCK …«
Das Wort leuchtet in Fuchsia-Pink auf meinem Laptop auf. Darryls Schweineaugen weiten sich.
»… Aarons zweiter Vorname ist. Tagsüber muss er bei seinen Kunden einen guten Eindruck machen. Abends bei …«
Darryl tippt mit seinem angekauten Kuli auf seinen Notizblock. »Den Damen …«
»Genau«, stimme ich zu und unterdrücke das Bedürfnis, mich zu übergeben.
Ich hole tief Luft und wende den Blick wieder zur Leinwand.
»Aaron redet den ganzen Tag mit Menschen. Was er überhaupt nicht gebrauchen kann, ist Unsicherheit. Aber er ist ein Mann Mitte zwanzig, der voll im Leben steht. Er arbeitet hart, genießt sein Leben, kostet alles bis zum Letzten aus.«
Darryl löst seinen Hemdkragen. »Bis zum Letzten …« Auf welcher Skala genau?, kann ich ihn denken hören.
»Er trinkt morgens gerne einen doppelten Espresso, um richtig wach zu werden, raucht nach der Arbeit mehr als nur ein paar Marlboro Lights, um sich zu entspannen. Seine Café-Crème-Zigarre nach dem Mittagessen gehört genauso zu seinem Image wie seine Armani-Manschettenknöpfe. Kurz gesagt …«
Regel Nummer zwei für ein perfektes Verkaufsgespräch: Humor. Vor allem bei Darryl. Darryl hält sich für einen humorvollen Mann.
»… ohne Hilfe würde Aaron aus dem Mund riechen wie ein Kamel aus dem Hintern.«
Das Bild eines riesigen Kamelarschs erscheint auf der Leinwand. Aus irgendeinem Grund hatte Shona keine Probleme, dieses Bild aufzutreiben.
»Hahahahahahah!« Darryl wirft den Kopf zurück und lacht schallend. »Großartig!« Die Speckrolle in seinem Nacken rutscht wie eine Schwarte über seinen Hemdkragen. »Man kann sich immer darauf verlassen, dass Sie einen zum Lachen bringen, Miss Steele. Eine Frau mit Sinn für Humor. Ist selten in der Branche, wirklich selten.«
Ich erschaudere innerlich. Darryl lacht weiter. Dann hustet er, als müsste er seine schwarze Lunge direkt hier auf der beigen Auslegware ausspucken.
»Und da«, schreie ich fast über sein Husten, »kommt Mini Minty Me ins Spiel.« Ich hebe die kleine silberne Dose vom Tisch und gebe sie Darryl.
»Es bietet alle Vorteile der Minty-Me-Mundspülung – beseitigt 99,9 Prozent der Mundbakterien, beugt der Zahnsteinbildung vor, reduziert Plaque –, doch es wird in einem eleganten kleinen Spender angeboten, den Aaron sich zusammen mit seinem Portemonnaie in die Tasche stecken kann. Ein Mundwasser-plus-Atemerfrischer – und nur so groß wie ein Feuerzeug. Revolutionär, Darryl, da stimmen Sie mir doch sicher zu?« Ich zeige mein bestes
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