Roman
so, existiere in einem luftleeren Gefäß, und dann manchmal, nur manchmal, wird der Druck zu groß und – bumm! – ziehe ich mein Brautkleid an, betrinke mich allein und höre Pat Benatar oder schwalle irgendeinen armen, unschuldigen Menschen ohne jede Vorwarnung mit meinen emotionalen Problemen voll.
Ich lehne mich zurück und sehe zu den Sternen auf, denke darüber nach, was Wayne gerade gesagt hat. Warum hat Toby seine Frau eigentlich noch nicht verlassen, wenn sie so schlimm ist? Das war wirklich ein Argument. Aber wahrscheinlich kann man einfach nicht beurteilen, warum jemand bei jemand anderem bleibt, oder? Und niemand kennt beide Seiten der Geschichte.
Ich sehe alles nur noch verschwommen, habe immer mehr das Gefühl, dass dieser Kontrollbesuch bei Wayne nicht so gelaufen ist, wie er sollte. Ich sollte gehen, denke ich. Gehen, bevor ich noch mehr emotional zerfließe und Wayne sich zu fragen anfängt, mit was für einer Verrückten sein Schützling den Sommer verbringt.
Ich sehe mich noch ein letztes Mal um – es sind jetzt nur noch dunkle Umrisse und die Lichter der Albert Bridge zu erkennen, die nach viel zu viel Alkohol weich und zerschrammt aussieht. Ich trinke mein Glas leer.
»Lex!«, rufe ich und klettere ungeschickt die Bootsleiter hinunter. »Lexi, wir sollten gehen, es ist schon fast elf Uhr …«
Dann bleibe ich auf der untersten Sprosse stehen. Ich blinzele heftig und versuche zu verarbeiten, was ich da sehe. Meine Schwester, deren Wimperntusche total verschmiert ist, lehnt dekadent an der Anrichte, ein Glas Wein in der Hand, und Waynes Hand liegt auf ihrer linken Brust!
»Alexis Steele!«, schreie ich so laut, wie ich kann. »Hol deine Sachen. Wir gehen nach Hause. SOFORT !«
15
Seit dem Wayne-Debakel sind zehn Tage vergangen, und Lexi besteht darauf, dass ich das alles völlig falsch verstanden habe.
»Es war nicht so, wie es aussah«, hat sie schon am nächsten Tag immer wieder beteuert. Wir waren in Debenham und versuchten, ihr eine Stoffhose für die erste Woche ihres Praktikums bei uns im Büro zu kaufen, wo ich sie besser im Auge behalten konnte. Ich hatte gehofft, dass sie dann nicht mehr für Grapscher-Wayne arbeiten müsste (bei diesem Namen hätte ich es besser wissen müssen), obwohl Lexi nichts davon hören wollte: »Wayne ist so weit davon entfernt, ein Perverser zu sein, wie man es nur sein kann.«
Was genau gewesen war, wusste ich wirklich nicht. Ich wusste nur, dass eine Hand auf einem Busen eine Hand auf einem Busen ist, und ich wollte nicht, dass sie für jemanden arbeitete, der seine Hand auf ihren Busen legte. Warum sie ihn verteidigte, würde mir ein Rätsel bleiben.
Allein der Gedanke, dass ich tatsächlich auf ihre und Waynes kluge Ratschläge wegen der Listen und dem »Vermeiden der wichtigen Dinge« gehört habe! So ein Blödsinn! Und jetzt verfolgt sie auch noch die bizarre Idee, dass Wayne in mich verliebt ist.
»Die Sache ist die, ich glaube, er mag dich.« Wir standen an der Kasse und kauften ihr ein Kleid. (Lexi hatte mich ziemlich eloquent davon überzeugt, dass sie eher ihre eigene Scheiße essen als eine Stoffhose tragen würde.)
Ich lachte laut.
»Ja, sicher, weil das Herumfummeln an meiner Schwester ja auch ein ganz sicherer Weg ist, mein Herz zu erobern. Oder auch nicht.«
Lexi stöhnte.
»Kannst du nicht endlich mit dieser Fummel-Sache aufhören? Er hat mich nicht begrapscht, das hat er nicht! Hast du nicht gesehen, wie er geguckt hat?«
»Ja, schuldbewusst.«
»Nein, er war entsetzt! Glaub, was du willst, aber du irrst dich. Wayne ist wundervoll, und er mag dich.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte ich. (Warum wollte ich das wissen?)
»Ich weiß es einfach«, erklärte sie. »Ich habe einen Instinkt für so etwas.«
Ich verdrehte die Augen. Wenn man sich anschaute, zu welchen Männern ihre Instinkte sie in diesem Sommer geführt hatten, dann würde ich nicht darauf hören.
»Lexi, die Sache mit Männern wie ihm ist«, erklärte ich ihr, »dass sie niemanden lieben. Sie denken, sie können dich betrunken machen und dich dann ausnutzen. Und ich möchte nicht, dass du für ihn arbeitest. Ich halte das einfach nicht für eine gute Idee.« Ich zuckte mit den Schultern. »Und außerdem würde Dad ihn umbringen, wenn er es wüsste.«
Erst als ich das sagte, wurde mir klar, dass Dad nicht wirklich der ritterliche Typ war und Wayne wahrscheinlich eher eine Therapie gegen seine abnormen sexuellen Neigungen anbieten würde, als ihn
Weitere Kostenlose Bücher