Roman
sag dir, bei uns zu Hause hast du schon Guru-Status.«
»Ach, hör auf!«
»Doch! ›Wayne sagt, Leute, die Listen schreiben, verstecken, dass sie zutiefst unglücklich sind‹«, sage ich und ahme die Stimme eines Therapeuten nach. Wayne stöhnt.
»Oh mein Gott, das ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen!«, erklärt er. »Ich werde ihr später den Hals umdrehen.«
Wir trinken noch mehr, reden weiter, lachen miteinander, während das Licht schwindet, und ich spüre langsam, dass Wayne etwas an sich hat – etwas, das mich dazu bringt, mich ihm anzuvertrauen. Je betrunkener ich werde, desto mehr kreisen meine Gedanken um Toby und unsere Situation. Wayne ist ein Mann, denke ich, vielleicht kann er mir das erklären.
»Kann ich dich was fragen?«, erkundige ich mich, als eine Pause in unserer Unterhaltung entsteht. Es ist jetzt fast dunkel, und ich kann nur noch die Umrisse seines Gesichts erkennen. »Ich weiß, ich werde wahrscheinlich zu viel erzählen, aber ich habe niemanden, mit dem ich sonst über diese Sache wirklich reden kann, und ich spüre, dass du irgendwie weise bist, Wayne. Wirklich, das ist so.«
Mir wird klar, was ich gerade gesagt habe, und wir fangen beide an zu lachen.
»Ja, was bin ich doch für eine weise, alte Eule!«, meint Wayne sarkastisch. »Ein Quell des Wissens.«
Ich hole tief Luft und sehe zum Himmel auf, an dem jetzt die Sterne leuchten.
»Glaubst du – du weißt schon, als Mann, nicht als Menschenfreund –, dass ein Mann, der eine Affäre hat, jemals seine Ehefrau verlässt?«
Er lacht, aber jetzt auf eine andere Weise. Auf eine Weise, die mir sagt, dass ich zu viel verraten habe, dass ich ihn möglicherweise in Verlegenheit gebracht oder unangenehm überrascht habe.
»Also, i-ich weiß nicht«, stottert er. »Ich schätze, das hängt davon ab, ob er seine Frau liebt. Oder er liebt sie nicht, hat aber nicht den Mut, ihr das zu sagen, bevor er mit einer anderen ins Bett geht. In jedem Fall würde ich sagen, dass es ziemlich lahm ist, überhaupt eine Affäre zu haben.«
»Wirklich?«
»Definitiv«, beteuert er ernst.
»Selbst wenn die Frau herrisch ist, ständig nur arbeitet und dem Mann das Gefühl gibt, wertlos zu sein?«
»Dann erst recht. Ich meine, wenn sie so schrecklich ist, dann wäre doch jeder halbwegs normale Mensch in der Lage, das Richtige zu tun und die Sache zu beenden, oder nicht? Welche Frau respektiert denn einen Mann, der sich von einer anderen so behandeln lässt?«
Ich denke darüber nach. Von dieser Warte aus habe ich das noch nie betrachtet.
Es entsteht eine lange Pause, die sehr viel peinlicher wäre, wenn wir nicht so betrunken wären.
»Also, wenn ich das richtig verstehe, dann ist der Mann, mit dem du zusammen bist, verheiratet, richtig?«, fragt Wayne schließlich.
»Ja. Ich bin eine Geliebte. Eine Geliebte! Herrje!«, antworte ich. »Ich habe das noch nie laut ausgesprochen. So sehr quält mich das.«
Dann bricht alles aus mir heraus. Armer Wayne. Zu viel Wein und zu viel frische Luft, nehme ich an. Ich erzähle ihm alles über Toby, dass der Buchclub in Wirklichkeit ein Fickclub ist, dass ich die Rolle der geheimnisvollen Verführerin spiele, mich aber eigentlich mehr wie Glenn Close in Eine verhängnisvolle Affäre fühle und mir Sorgen mache, dass Toby bald mein wahres Ich erkennen wird, das Ich, das dabei ist, sich in ihn zu verlieben. Ich erzähle ihm von Martin und der Hochzeit, die nie stattgefunden hat – wegen mir –, und davon, dass ich ihn immer noch liebe, nur nicht auf diese Weise, und dass ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass er eine andere liebt. Dann mache ich eine Pause, um Luft zu holen, und erst da wird mir klar, dass Wayne seit einer halben Stunde nur genickt, »Mmm« gebrummt und in sein Glas gestarrt hat.
»Tut mir leid, ich …« Ich halte inne. Gut, dass es dunkel ist, weil ich spüre, wie ich rot werde.
»Schon gut«, sagt Wayne und zuckt mit den Schultern. »Ehrlich, es ist in Ordnung.«
»Normalerweise mache ich so etwas …«
»Hör zu, du brauchst dir deshalb keine Gedanken zu machen«, unterbricht er mich und lächelt kurz.
»Okay.« Ich bereue es, den Mund aufgemacht zu haben.
»Wohin …« … gehst du?, will ich sagen, als er plötzlich aufsteht.
»Nur kurz unter Deck«, erwidert er. »Dauert nur eine Minute.«
Ich sehe ihn unter Deck verschwinden und verfluche mich für mein emotionales Auskotzen. So fühlt es sich in letzter Zeit an, ich zu sein: Ich reiße mich zusammen, gerade noch
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