Roman
umzubringen.
Die Fahrt nach Debenham war letzten Sonntag, dann, am Montag, fing Lexi ihr Praktikum bei uns an. Und ich bin auch nicht sicher, ob das eine gute Idee war.
Marta rührt in ihrem Kaffee und seufzt dramatisch.
»Ich werde heute Nachmittag nicht da sein, weil ich wieder einen Termin habe.«
Bei Marta ist es nie einfach ein Besuch beim Arzt, sondern immer ein Termin.
Ich höre nicht wirklich zu, weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, Lexi durch die Spalten der Jalousien unserer Büroküche zu beobachten, wo mich Marta seit zehn Minuten festhält. Sie leidet seit drei Monaten an einer mysteriösen »persönlichen« Krankheit, und da sich niemand wirklich danach erkundigt, hat sie keine andere Wahl, als Andeutungen zu machen.
»Sie untersuchen mich im Krankenhaus«, fügt sie hoffnungsvoll hinzu.
»Großartig«, erwidere ich und öffne die Jalousien ein bisschen weiter.
Seit Lexi bei SCD angefangen hat, muss ich mit Adleraugen über sie wachen, für den Fall, dass sie etwas Unangemessenes macht (was oft vorkommt). Wann immer sie an mein Telefon geht, klopft mein Herz aufgeregt. Warum ich das Beantworten meiner Telefonanrufe zu einer ihrer Hauptaufgaben gemacht habe, ist mir inzwischen ein Rätsel. Ich meinte, die Anrufe beantworten. Nicht, halbstündige Gespräche mit der Person am anderen Ende der Leitung führen.
»Was hast du gesagt, Marta?«
»Ich sagte, sie wollen mich im Krankenhaus untersuchen. Und je nachdem, was dabei herauskommt, bin ich morgen vielleicht nicht ganz ich selbst.«
Lexi steht jetzt an Shonas Tisch und redet. Dann sehe ich das rote Licht an meinem Telefon leuchten, und Lexi geht wie in Zeitlupe darauf zu. Erst als sie es erreicht, wird mir klar: »Scheiße. Das wird Schumacher sein.«
Marta seufzt diesmal sehr hörbar.
»Ich stehe das schon durch, keine Sorge, selbst wenn es schlechte Nachrichten sein sollten.«
»Gut. Ich meine, nicht gut.« Man muss sich wirklich konzentrieren, wenn man mit Marta spricht, sonst ist man abgelenkt und sagt etwas völlig Unangebrachtes. »Das musst du wirklich nicht, Marta. Hör zu, können wir morgen darüber reden? Es ist nur … LEXI !« Ich hämmere jetzt gegen das Küchenfenster und versuche, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, bevor es zu spät ist. »Lexi, geh nicht dran, hörst du? Geh einfach nicht …« Oh verdammt! Dann renne ich zu meinem Tisch und höre Marta gerade noch sagen: »Sie meinen, dass ich vielleicht ein polyzystisches Ovarialsyndrom habe.«
Lexi erreicht jetzt meinen Tisch.
»Ich gehe selbst dran, Lexi! Da gehe ich dran, lass es …«
Zu spät.
»Oh, hi, Darryl.«
Es ist Schumacher. Scheiße.
»Ja, ich bin noch hier.« Sie verdreht die Augen. »Nein, sie haben noch nicht rausgefunden, dass ich vorbestraft bin.«
Oh Gott.
»Tut mir leid, was war das?« Jetzt steckt sie sich den Finger in den Hals, und Shona schüttelt den Kopf. Sie hat Lexi zu ihrem Protegé in ihrem stummen Krieg gegen Schumacher erklärt. »Hat mich schon jemand zum Essen eingeladen? Äh … Lustmolch, oder was? Ich glaube nicht …«
»Danke!« Ich reiße ihr den Hörer aus der Hand.
»Hallo, Darryl. Entschuldigung wegen dieser Sache gerade. Also, was kann ich für Sie tun?«
Ich begreife schnell, dass das größte Problem mit einer siebzehnjährigen Praktikantin der Umstand ist, dass »professionelles Verhalten« kein Konzept ist, das sie kapiert. Letzte Woche hat meine Schwester zum Beispiel Janine gefragt, ob sie an Legasthenie leidet (was sie tut). (Die meisten von uns wagen nicht mal, Janine zu fragen, wie spät es ist, und ganz sicher würden wir uns nicht lautstark, so, dass es alle hören, danach erkundigen, ob sie an einer Lernschwäche leidet.) Dann hat sie Janine ihr Mittagessen geholt und laut verkündet, dass Janine ihr fünfundneunzig Pence schuldet. Janine hat sich seit ungefähr 1989 nicht mehr selbst ihr Essen besorgt und keine Ahnung, was Sachen kosten. Alle anderen Praktikanten haben geschwiegen. Nicht Lexi, nein. Nicht meine kleine Schwester.
Nach dem zweiten Tag hatten wir eine kleine Unterhaltung über Büroregeln, darüber, dass man nicht ungefragt mit Janine spricht und sich schon gar nicht nach ihrem Befinden erkundigt.
»Und es tut mir leid, aber – so nervig er auch ist – Schumacher ist ein wichtiger Kunde«, sagte ich. »Wenn ich diese Minty-Me-Sache ruiniere, dann fährt die Firma Verluste ein, ganz zu schweigen davon, dass es meine Chancen schmälert, Verkäuferin des Jahres zu werden, was mir
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