Roman
brauchte noch zwei Monate, um es endlich zu tun, aber ich erinnere mich noch genau an jenen Tag, an das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.
Es ist schon komisch, dass man sich an die kleinsten Details dieser wichtigen Zeiten im Leben erinnert, als würde unser Gehirn versuchen, das Schlimmste auszublenden. Ich hatte uns für den Nachmittagstee einen Tisch im Ritz reserviert. Wir saßen in der Linie 19, die durch den Regen fuhr; Martins Hand lag auf meinem Knie und klopfte im Takt zu seinem Gesang: »We’re going to the Ritz. So put on some glitz.«
Ich weiß noch, dass der Regen in Bächen über die Scheibe lief, höre wieder das Kreischen der Scheibenwischer, die wie Nägel klangen, die über Glas kratzen. Ich dachte, ich würde den Juli wegen dieses Tages für immer hassen, weil ich diesen Geburtstagstee mit Martin durchstehen musste – etwas, das hätte lustig sein sollen –, während ich schon wusste, dass ich dem Mann, den ich liebte, in den ich aber nicht verliebt war, diese schreckliche Sache antun würde.
Und jetzt ist ein Jahr vergangen. Und ich bin verliebt in jemand anders, und der Sommer fühlt sich an, als wäre er voller Möglichkeiten.
Ein Vogel landet auf der Fensterbank und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich kehre zu der Liste zurück und versehe die Punkte mit Sternchen:
* ein neues Kleid für Brighton kaufen
* bei einem (echten) Buchclub mitmachen
* T bis Ende August geben, um seine Frau zu verlassen, sonst kann er gehen (der elende Loser, Trottel, Flachwichser)
Ich schwebe mit meinem Stift über dem letzten Punkt, bevor ich ihn so gründlich überkritzele, dass die Striche wie Narbengewebe vom Papier abstehen. Das kann ich einfach nicht aufschreiben, das ist viel zu gefährlich.
Zusammen nach Brighton in ein Hotel zu fahren war allein Tobys Idee. Absolut kein Wink oder Drängen von mir. Nach dem furchtbaren Tag, an dem Shona uns beim Knutschen im Besprechungszimmer erwischt hatte, trafen wir uns kurz nach der Arbeit.
»Wir sollten damit aufhören«, sagte ich. »Jetzt. Bevor es außer Kontrolle gerät.«
»Aber ich will nicht damit aufhören«, widersprach Toby. »Und es ist schon außer Kontrolle.«
Er sah aus, als würde er das wirklich ernst meinen – sehr beunruhigend. Da war kein schelmisches Grinsen, kein Sarkasmus, kein Flirten, nur Ehrlichkeit.
Ich versuchte, ruhig zu wirken, während in meinem Inneren eine Fanfare ertönte, ein Feuerwerk abbrannte, eine ganze Blaskapelle Einzug gehalten hat. Mein Gott, wollte er damit sagen, dass er mich liebte? War es das, was »außer Kontrolle« bedeutete?
Ich starrte ihn an und grinste dümmlich.
»Ich möchte mit dir wegfahren, dir etwas Gutes tun, Steeley, dich richtig verwöhnen. Ich möchte, dass wir Zeit miteinander verbringen.«
»Okay«, strahlte ich. »Wann?«
So viel zum Thema »aufhören, bevor es außer Kontrolle gerät«.
Es ist verdammt gut, dass ich den Teil darüber, dass Toby seine Frau verlassen soll, von meiner Liste gestrichen habe, denn später am Tag, als ich im Wohnzimmer bin, ruft Lexi aus der Küche.
»Hey, Caroline, was soll das denn? Ich dachte, du wärst schon in einem Buchclub?«
Mein Herz bleibt stehen. Die Liste. Ich habe die Liste vergessen!
»Was sagst du, Lex?«, rufe ich zurück, und das Blut verlässt mein Gesicht.
»Ich sagte: Ich dachte, du wärst schon in einem Buchclub. Auf dieser Liste hier steht: ›bei einem Buchclub mitmachen‹.«
»Die ist alt, die Liste!«, rufe ich zurück und suche hektisch in allen Ecken meines Gehirns nach einer Erklärung.
»Und warum hast du sie dann gerade erst an den Kühlschrank geheftet?«
Zum Glück klingelt da das Telefon.
»Hi. Caro, meine Liebe, hier ist Martin.«
Ich bin verärgert. Dann fühle ich mich schlecht, weil ich verärgert bin. Ist es die Tatsache, dass er mich gerade »meine Liebe« genannt hat, als wäre er mein Vater? Oder weil ich mir heimlich gewünscht habe, Toby wäre am Apparat? Was es auch ist, es ist kein angenehmes Gefühl.
»Wie geht es dir? Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«, sage ich.
»Ja, danke«, erwidert er. »Noch ein Geburftag, noch ein Jahr älter!« »Geburftag« war immer ein Martin-Ausdruck, genauso wie »mieh sal« statt »sieh mal« und »supidupi« statt »super«. »Hör zu, ich habe heute Morgen nicht viel zu tun, und da dachte ich, ich komme und repariere den tropfenden Wasserhahn?«, verkündet er fröhlich.
»Den tropfenden Wasserhahn?«
»Ja. Du hast gesagt, einer deiner Wasserhähne
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