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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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Fahrt auf uns auf, mit einer offensichtlich unangenehm berührten, unwirschen Miene, wohl wegen eines plötzlichen Geruchs, eines nicht vermeidbaren Anblicks, manchmal rümpfte er auch angeekelt die Nase – mit einigem Recht, wie ich zugeben musste. Vor allem kränkte mich, dass er sich irgendein Urteil zu bilden schien, anscheinend zu einer weitverbreiteten Schlussfolgerung gekommen war, und ich hätte mich gern gerechtfertigt: Ich bin schließlich nicht allein daran schuld, ursprünglich ist das eigentlich nicht meine Natur – nur wäre es schwierig gewesen, das zu beweisen, das sah ich ein, natürlich. Als wir dann angekommen waren, musste ich den plötzlich auf mich gerichteten und mir unerbittlich nachsetzenden Wasserstrahl eines Gummischlauchs, einer Art Gartenschlauch, über mich ergehen lassen, womit dann alles, die restlichen Lumpen, der Dreck, aber auch der Papierverband, von mir abgewaschen wurde. Dann aber brachten sie mich in einen Raum, in dem ich ein Hemd und von einem zweistöckigen Bretterbett das untere zugewiesen bekam, und da durfte ich mich auf einen zwar – vermutlich von meinem Vorgänger – schon ziemlich hartgelegenen, ziemlich flachgeklopften und -gedrückten, da und dort mit verdächtigen Flecken, verdächtig riechenden und verdächtig knisternden Verfärbungen verzierten, aber immerhin freien Strohsack legen, wo man es dann endlich ganz mir überließ, wie ich die Zeit verbringen wollte, und wo ich, vor allem, endlich einmal richtig ausschlafen konnte.
    Wir nehmen unsere alten Gewohnheiten anscheinend stets an neue Orte mit: Ich muss sagen, auch ich hatte im Krankenhaus anfangs mit zahlreichen eingefleischten, festgefahrenen Gewohnheiten zu kämpfen. Da war zum Beispiel die Sache mit dem Gewissen: In der ersten Zeit weckte es mich jeweils pünktlich am frühen Morgen. Ein andermal schreckte ich auf, weil mir war, als hätte ich den Appell verpasst, sie suchten mich draußen schon, und mit nur langsam abflauendem Herzklopfen nahm ich den Irrtum zur Kenntnis und erfasste den sich mir darbietenden Anblick, das Zeugnis der Wirklichkeit, dass ich ja gewissermaßen zu Hause war, alles in Ordnung, da stöhnt jemand ein bisschen, weiter weg unterhalten sich zwei, dort schaut jemand seltsam stumm und mit spitzer Nase, starren Augen und offenem Mund zur Decke, nur meine Wunde tut weh, nun, und höchstens bin ich – wie immer – durstig, wahrscheinlich wohl wegen des Fiebers. Kurz und gut, ich brauchte etwas Zeit, um es ganz zu glauben: kein Appell, ich brauche die Soldaten nicht zu sehen und vor allem nicht zur Arbeit zu gehen – und all diese Vorteile konnten, für mich jedenfalls, von keinen Begleitumständen, keinerlei Krankheit wirklich geschmälert werden. Von Zeit zu Zeit brachten sie mich auch in ein kleines Zimmer im ersten Stock hinauf, wo zwei Ärzte am Werk waren, ein jüngerer und ein älterer, dessen Patient ich war, um es so zu sagen. Es war ein dünner, schwarzhaariger, sympathischer Mann, in sauberem Anzug und Schuhen, mit einer Armbinde und mit einem richtigen, erkennbaren Gesicht, das an einen freundlichen alten Fuchs erinnerte. Er fragte mich, woher ich komme, und erzählte, dass er aus Siebenbürgen stamme. Unterdessen hatte er mir schon den auseinanderfallenden, in der Gegend meines Knies bereits wieder verhärteten und gelbgrün gewordenen Papierwickel abgerissen, stützte sich mit beiden Händen auf meinen Schenkel und presste heraus, was sich dort in der Zwischenzeit angesammelt hatte, und zum Schluss stopfte er mir mit einer Art Häkelnadel zusammengerollte Gazestücke zwischen Haut und Fleisch, um, so erklärte er, «den Fluss aufrechtzuerhalten», für den «Reinigungsprozess», damit die Wunde nicht etwa vor der Zeit verheile. Ich für meinen Teil hörte das ganz gern, schließlich hatte ich draußen nichts verloren, von mir aus war die Heilung gar nicht so dringend, wenn ich es recht bedachte, verständlicherweise. Etwas weniger nach meinem Geschmack war eine weitere Beobachtung von ihm. Er hielt das Loch in meinem Knie für nicht ausreichend. Seiner Ansicht nach sollte auch seitlich noch ein Schnitt angebracht werden und dieser, mit Hilfe eines dritten Schnittes, mit dem ersten verbunden werden. Er fragte, ob ich dafür zu haben wäre, und ich war ganz erstaunt, denn er sah mich an wie jemand, der tatsächlich auf meine Antwort, vielleicht sogar auf meine Einwilligung, um nicht zu sagen meine Ermächtigung wartete. Ich sagte: «Wie Sie meinen», und darauf befand

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