Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
ihn eines Nachmittags ab und nahmen ihn in das Gartenrestaurant Yeşil Ev im Sultanahmet-Viertel mit. Wir berichteten von unserem Filmprojekt, und Hassemer erzählte uns von der Filmförderung des Berliner Senats, die uns unterstützen könne.
Ich fuhr daraufhin in das Städtchen Armutlu am Marmara-Meer, quartierte mich in einem ruhigen Thermalhotel ein und schrieb Tag und Nacht an einem Drehbuch zu Eisenhimmel, Kupfererde . Armutlu hatte seinen eigenen Reiz. Es gab dort den besten Fisch im ganzen Marmara-Meer. Ich sah viele alte Männer in schwarzer Georgier-Tracht herumsitzen, und wenn ich sie fragte, woher sie denn seien, sagten sie: »Aus Livaneli.« Und waren dann verblüfft über meinen Namen.
Als ich von Moskau nach Berlin flog, hatte ich eine englische Version des Drehbuchs dabei. Ich suchte Kultursenator Hassemer auf, der mich an die zuständige Stelle vermittelte. Es hieß dort, gefördert werden könne unser Projekt nur dann, wenn sich auch eine deutsche Firma daran beteilige. So machte ich mich auf die Suche nach einem Partner für eine deutsch-türkische Koproduktion. Bei der großen Filmfabrik Geyer-Werke in Berlin hatte ich Peter Przygodda kennengelernt, der unter anderem bei Paris, Texas als Cutter gearbeitet hatte und mir riet, es bei Wim Wenders zu versuchen, dem die Road Movies Filmproduktion gehörte.
Als Filmkomponist war ich mit Wim Wenders bereits bekannt, und so rief ich ihn gleich an. Am Abend trafen wir uns in seinem Büro in der Potsdamer Straße, wo er mit Vorbereitungen für Der Himmel über Berlin befasst war.
I ch schilderte Wim die Lage und übergab ihm die englische Übersetzung meines Drehbuchs. Am Abend darauf lud er mich in ein italienisches Lokal ein und erzählte mir, wie sehr ihm das Drehbuch gefallen habe. Im Grunde war das sehr erfreulich, aber noch lieber wäre es mir gewesen, wenn er mit seiner Erfahrung Verbesserungsvorschläge gemacht hätte, aber so sehr ich auch darum bat, wehrte Wim nur immer ab, es sei gar nichts zu kritisieren, und prostete mir schließlich zu: »Auf deinen Film!«
Dann fragte er mich, wie ich den Film denn »sehe«, und ich erzählte ihm Szene für Szene mit den geplanten Kameraeinstellungen. Besonderen Wert legte ich darauf, nicht einen der mit landesüblicher Folklore angereicherten Dritte-Welt-Filme zu drehen, die zwar von der westlichen Kritik nicht ganz ernst genommen, aber mit Trostpreisen abgespeist wurden.
Es sollte daher von der Ausstattung her nicht der Eindruck eines spezifisch türkischen Dorfes entstehen, sondern der Zuschauer mit der von Yaşar Kemal beabsichtigten Allgemeingültigkeit konfrontiert werden. Was die Ästhetik anging, schwebten mir die Winterbilder Pieter Brueghels vor, die ich beim Schreiben des Drehbuchs auch in meinem Zimmer hängen hatte.
Wim war der Ansicht, um die von mir geplante Ästhetik zu erzielen, sei ein ausgezeichneter Kameramann nötig, und er schlug mir Jürgen Jürges vor, mit dem zwar nicht er selbst, aber zum Beispiel Fassbinder gearbeitet habe. Mir sagte dieser Vorschlag natürlich sehr zu, und Jürges, der am Tag darauf nach Berlin reiste und das Drehbuch las, erklärte, den Film machen zu wollen. Ich hatte also das Vertrauen zweier Filmgrößen erobert, und als Jürges sich daranmachte, ein etwa zwanzigköpfiges deutsches Drehteam zusammenzustellen, und gesichert war, dass die Postproduktion von den Geyer-Werken in Berlin übernommen würde, durfte ich von dem großen Glücksfall sprechen, gleich meinen ersten Film nach europäischen Standards drehen zu können.
Eifrig beschäftigte ich mich daraufhin mit der Ausstattung und den Szeneneinstellungen. Schon im Sommer war ich in ostanatolischen Dörfern auf Erkundungsfahrt gewesen und hatte dabei das in den Keşiş-Bergen in der Nähe von Erzincan gelegene Kurdendorf Pınarlıkaya ins Auge gefasst. Es führte eine steile Straße in sehr schlechtem Zustand dort hinauf, so dass ich mich schon im Sommer gefragt hatte, wie dort im Winter wohl Lastwagen hochfahren sollten.
In dem alevitischen Dorf, wo man auch meine Lieder kannte, war ich herzlich empfangen worden. Auf dem Video, das ich damals drehte, kamen die in den Hang geschmiegten irdenen Dächer gut heraus, auf die die Dorfbewohner oft stiegen und stundenlang zum Horizont starrten. Sie wussten vermutlich selber nicht, worauf sie eigentlich warteten, aber wahrscheinlich nicht unbedingt darauf, dass in ihr Dorf eines Tages ein deutsches Filmteam mit Lastwagen, Generatoren, Nescafé und
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