Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
Vom Netzwerk:
l’Ambassadeur« dann hereingestürmt kam, mir ein schallendes »Willkommen!« entgegenrief und mich an sich drückte, war die aristokratische Atmosphäre jedoch sogleich von der rauen Herzlichkeit der kirgisischen Steppe hinweggefegt.
    Beim Essen zusammen mit zwei Botschaftsangehörigen war es dann auch »Monsieur l’Ambassadeur« höchstpersönlich, der dem in französischer Steifheit seinen Dienst verrichtenden Personal auf die Sprünge half. Als zum zweiten Gang der Wein serviert wurde, schlug Aitmatow mit seiner gewaltigen Faust auf den Tisch und rief: »Salat!« – Auf Türkisch.
    Bald darauf stieß er ungeduldig seinen Teller weg und rief: »Bringt das Fleisch fort! Her mit dem Nachtisch!«
    Kirgisische Unverfälschtheit! Mir wurde klar, dass ich ihn vor allem deswegen mochte. Er buckelte vor niemandem und versteckte seine kirgisische Identität nie.
    Als 1991 gegen Gorbatschow geputscht wurde, rief ich Aitmatow an. Er machte sich große Sorgen. Ich sagte: »Wenn es schlimm kommt, kannst du jederzeit zu uns in die Türkei. Hier wirst du mit offenen Armen empfangen.« Er dankte mir überschwänglich.
    Seinen 70. Geburtstag feierten wir im Restaurant Beyti in Istanbul. Ich erhob mein Glas auf diesen herrlich natürlich gebliebenen Menschen. Er hatte bei stalinistischen Säuberungen seinen Vater verloren, aber trotz allen Schmerzes und aller Mühen hatte er nie aufgegeben.
    Eine weitere bleibende Freundschaft entstand mit dem Futurologen Alvin Toffler. Der Autor von Der Zukunftsschock kam mehrfach nach Istanbul, wo ich ihn einmal auch in entlegenen Slumvierteln herumführte. Wegen seines bakterienempfindlichen Magens trank er im Çırağan-Hotel kein Leitungswasser und hatte nicht einmal Vertrauen in das türkische Mineralwasser. Sein Arzt hatte ihm sogar geraten, sich die Zähne lieber mit Bier zu putzen.
    Über die türkische Wirtschaft sagte er einmal: »Ein Export, der sich nur auf billige Arbeitskräfte stützt, kann sich nur schwer halten, denn es findet sich immer jemand, der noch billiger produziert. Der türkische Staat sollte sich in Richtung Hochtechnologie orientieren und etwa in Silicon Valley fünf türkische Firmen gründen. Die werden dann die ersten Jahre über Verlust machen, aber viele Erfahrungen sammeln und auf Dauer von großem Nutzen sein.«
    Ich übermittelte diese Ratschläge dem damaligen Ministerpräsidenten Süleyman Demirel, der sich mit Alvin Toffler daraufhin unterhalten wollte. Es kam auch ein Treffen der beiden zustande, doch mochte Toffler auch Berater des Weißen Hauses sein und weltweit Gehör finden, in der Türkei wurden seine Empfehlungen in den Wind geschlagen.

 
    I   ch denke im Rückblick, dass 1986 eines der wichtigsten und schöpferischsten Jahre meines Lebens war. Als ich in der Limousine des Flughafendirektors von Schönefeld nach Westberlin chauffiert wurde, leitete dies einen Wendepunkt meines Lebens ein. Im Vorfeld meines ersten Films sollte ich mich nämlich mit dem Berliner Kultursenator Hassemer und vor allem mit Wim Wenders treffen, der gerade in aller Munde war.
    Ich verspürte schon lange in mir den Wunsch, einen eigenen Film zu drehen, und natürlich sollte Yaşar Kemal wieder mein Weggefährte sein. Ich überlegte, welchen seiner Romane ich verfilmen sollte. Zuerst dachte ich an Verbrechen am Schmiedemarkt , aber schließlich einigten wir uns auf Eisenerde, Kupferhimmel . Wir unterhielten uns darüber in einem Boot, in dem wir über den Çekmece-See ruderten, und kaum hatten wir »Eisenerde, Kupferhimmel« gesagt, schnellte plötzlich ein Fisch aus dem Wasser und plumpste zu uns ins Boot! So etwas hätte gut und gerne aus einem von Yaşar Kemals Büchern stammen können.
    Wir kamen bald zu dem Schluss, dass wir auf dem richtigen Weg waren und der Film weltweit zu einem Erfolg werden konnte. (Was er schließlich auch wurde. Ich weiß nicht, inwieweit das auf den Fisch zurückgeht, doch jedes Mal, wenn ich irgendwo im Ausland bei einer Filmgala auf die Bühne trat, fiel mir wieder der glitzernde Wunderfisch ein.)
    Woher wir das Geld für den Film nehmen sollten, wussten wir beide nicht. Und um vom Technischen her mindestens europäische Qualität zu erlangen, wollte ich unbedingt einen ausländischen Kameramann engagieren.
    Der Zufall wollte es, dass in jenem Sommer der Berliner Kultursenator Hassemer nach Istanbul kam, um beim Istanbuler Filmfestival die Eröffnungsrede zu halten. Er wollte sich auch mit Yaşar Kemal und mir treffen, und so holten wir

Weitere Kostenlose Bücher