Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
Personen fassenden Freilichttheater auf dem Lykavittos statt, der zweiten Athener Erhebung neben dem Akropolis-Hügel. Ich sah die Menschen hinaufströmen und fragte mich, wie sie auf mich wohl reagieren würden.
Das ausverkaufte Konzert begann, und irgendwann wurde ich von Maria angekündigt und auf die Bühne gerufen. Der Beifall, der nach meinem ersten Lied aufbrandete, gab uns recht: Wir waren dabei, einen Sieg der Freundschaft davonzutragen. Maria strahlte vor Freude. Kaum mehr zu halten waren die Leute, als ich ein Lied von Mikis Theodorakis auf Griechisch sang. Nicht anders war es später bei einem gemeinsamen Konzert in der Türkei, als Maria im antiken Theater von Ephesus auf Türkisch mein Lied vom verschneiten Buchenwald anstimmte und aus 30.000 Kehlen ein Freudenschrei erscholl.
Nach dem Athener Konzert drängten sich in der Garderobe lauter Menschen, die den »Turco« sehen wollten. Marias Ehemann Telemachos rief aus: »Du bist in Griechenland an einem Abend berühmt geworden.« Es kam auch ein hoher Geistlicher, der mir während des Konzertes schon wegen der Ehrerbietung aufgefallen war, die ihm alle bezeigten. Er sagte: »Sie tun hier etwas sehr Gutes für unsere beiden Völker, die so viel gelitten haben. Das wird in die Geschichte eingehen. Ich werde mein Leben lang für Sie beten.«
Anschließend betrat eine Gruppe Blinder die Garderobe. Sie waren von außerhalb Athens gekommen und wollten mich kennenlernen, indem sie mich berührten. Es war ein aufregendes Gefühl, ihre Hände auf meinem Gesicht zu spüren.
Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll des Lobes über unser Konzert. Maria war hocherfreut, und wir gingen in die schönsten Tavernen Athens und schmiedeten Pläne, wie es weitergehen sollte.
Mein erstes Konzert nach meiner Rückkehr fand in Antalya statt und gehörte zum Rahmenprogramm des alljährlichen Filmfestivals. Die teilnehmenden Künstler, vorwiegend Linke, waren in einer Großunterkunft außerhalb der Stadt untergebracht, wo man allerdings in einer Zeit zunehmender blutiger Auseinandersetzungen ein wenig um sie fürchtete. Das zur Betreuung eingesetzte Personal rekrutierte sich daher aus jungen Mitgliedern einer linken Gruppierung, die im Grunde eher eine Sicherheitsfunktion ausüben sollten. Zwischen ihnen und den Künstlern kam es jedoch immer wieder zu Spannungen. Mir wurde erzählt, eines Abends hätten einige Künstler beim Essen Revolutionslieder angestimmt, doch sei das von den jungen Leuten sofort unterbunden worden, und zwar mit der strengen Begründung, diese Stücke dürften nicht als Sauflieder missbraucht werden. Einige der älteren Künstler waren nach Antalya gekommen, um sich auszuruhen und ein wenig zu baden, aber ihre jugendlichen Betreuer waren mit den Revolutionsgedichten aufgewachsen, die jene Künstler einst verfasst hatten, und sie verkrafteten nicht, dass ihre einstigen Idole, die sie am liebsten als Guerillakämpfer in den Bergen gesehen hätten, mit über den Hosenbund quellendem Bauch zum Büffet schlurften und sich eine Cola bestellten.
Aber auch unter den Künstlern selbst kam es zu Reibereien. So konnten sich etwa die beiden Schriftsteller Aziz Nesin und Ahmet Arif nicht ausstehen, und als bei einem Abendessen Aziz Nesin nur gegenüber von Ahmet Arif einen Platz fand, rief jener aus: »Das Kraut, das die Schlange nicht mag, wächst direkt vor ihrer Nase.« Ohnehin habe ich unter den linksengagierten Künstlern nur wenige erlebt, die sich wirklich schätzten.
Ein Teil von uns wurde schließlich in ein neueröffnetes Hotel gebracht, von dem man über eine Treppe direkt zum Meer hinunterstieg. Kaum waren wir da, hieß es plötzlich, das Hotel gehöre Mitgliedern einer rechtsgerichteten Partei, und in der Nacht solle ein Anschlag auf uns verübt werden. Nach langer Diskussion beschlossen wir, in die alte Unterkunft zurückzukehren. Aziz Nesin bezeichnete unser Verhalten danach als Paranoia und parodierte es in seinem Buch Meine Verrückten .
Eines Abends saßen wir zu später Stunde am Strand, und nur vom Meeresrauschen begleitet sang ich die Lieder, die ich damals gegen den Putsch geschrieben hatte. Der Mond schuf eine zauberhafte Stimmung, und um diese nicht zu stören, schoben – wie ich erst danach erfuhr – unsere jugendlichen Betreuer die Autos, mit denen einige ausländische Gäste zum Flughafen gebracht wurden, lautlos so lange, bis sie außer Hörweite waren, und ließen erst dann den Motor an.
Das Konzert, das ich am Tag darauf gab,
Weitere Kostenlose Bücher